Die Nationalbank dreht nach ihrer dreimonatlichen Analyse erneut nicht an der Zinsschraube. Irgendwann werde die Zinswende kommen und damit auch das Ende der Negativzinsen, sagt SNB-Chef Thomas Jordan. Er wehrt sich zudem klar dagegen, SNB-Gewinne gezielt für die AHV oder für andere staatliche Aufgaben abzuzweigen.
SRF News: Herr Jordan, liegt die Corona-Krise hinter uns?
Thomas Jordan: Sie liegt zu einem guten Teil hinter uns. Es zeigt sich, dass in der zweiten Jahreshälfte - und bereits fürs zweite Quartal – schöne Wachstumsraten möglich sind. Insgesamt rechnen wir mit 3.5 Prozent Wachstum für die Schweiz. Ungefähr Mitte Jahr dürfte das Produktionsniveau von Ende 2019 erreicht sein. Es wird aber noch etwas dauern, bis wir wieder auf dem alten Trend sind.
Insgesamt rechnen wir mit 3.5 Prozent Wachstum für die Schweiz.
Heisst das für den Arbeitsmarkt, dass sich die Leute keine Sorgen um einen Stellenverlust machen müssen?
Die Arbeitslosigkeit ist weiterhin erhöht und die Kurzarbeit hoch. Das sollte sich aber jetzt verbessern, indem die Bereiche mit angestiegener Arbeitslosigkeit wieder vermehrt öffnen. Bis zur Normalisierung braucht es aber noch eine gewisse Zeit.
Irgendwann wird die SNB die Zinsen wieder erhöhen. In den USA soll die Zinswende bereits im übernächsten Jahr kommen. Freuen Sie sich darauf?
Grundsätzlich ist es positiv, wenn es in Richtung Normalisierung geht. Wenn die Weltwirtschaft gut funktioniert, die Schweizer Wirtschaft ausgelastet ist. Wenn die Inflation auf einem vernünftigen positiven, aber tiefen Niveau ist und dann auch die Zinsen erhöht werden können. Bei uns wird das nicht morgen oder übermorgen sein. Die Inflation in Amerika ist mit fünf Prozent auch viel höher als bei uns mit 0.5 Prozent.
Bei einer Zinswende könnten Sie dann auch mit den unbeliebten Negativzinsen aufhören?
Das wäre ein positiver Nebeneffekt. Aber ich mache dazu keine Prognosen und mir auch keine Hoffnungen für die kurze Frist: Die Zinsdifferenz ist sehr klein gegenüber den Euro-Zinsen, der Franken ist immer noch hoch bewertet. Darum müssen wir die expansive Geldpolitik auf absehbare Zeit weiterführen.
Soll die SNB mehr von ihren Milliardengewinnen an die Allgemeinheit abgeben, wie das zum Teil in der Politik gefordert wird?
Wir sehen das aus verschiedenen Gründen sehr kritisch. Zum einen glauben wir, dass Ausschüttungen, die nicht an Bund und Kantone gehen, sondern an die AHV oder etwas anderes, problematisch sind. Da würden wir Abhängigkeiten schaffen, die unter Umständen auch die Unabhängigkeit der SNB tangieren.
Da würden wir Abhängigkeiten schaffen, die unter Umständen auch die Unabhängigkeit der SNB tangieren.
Zum anderen kann die SNB einen Franken immer nur einmal ausschütten. Bei einem AHV-Topf bliebe weniger für Bund und Kantone. Es ist auch keine gute Idee, die Ausschüttung nicht abhängig vom Gewinn zu machen, sondern von einzelnen Einnahmequellen.
Eine Gruppe von Ökonomen warf der SNB kürzlich vor, viel zu knausrig bei Bund und Kantonen zu sein. Was sagen Sie dazu?
Die SNB schüttet sehr viel aus. Die Gewinnausschüttung würde über die letzten Jahre von einer auf sechs Milliarden erhöht. Wenn es die Lage erlaubt, wird die SNB auch über die nächsten Jahre substanzielle Beträge ausschütten. Sehr viel an Bund und Kantone. Das ist nicht knausrig.
Die Bevölkerung will eine robuste Nationalbank, die ihren Auftrag jederzeit erfüllen kann.
Die Kapitalsituation der SNB ist auch nicht extrem rosig. In der Bilanz von tausend Milliarden gibt es sehr viele Risiken: Wechselkurse, Aktien und Zinsen. Das spricht für eine vernünftige Kapitalisierung. Die Bevölkerung will eine robuste Nationalbank, die ihren Auftrag jederzeit erfüllen kann. Dazu muss sie auch in schwierigen Zeiten Verluste absorbieren können.
Das Gespräch führte Jan Baumann.