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«Strafrechtlich gravierend» Postauto-Affäre: Bund klagt ehemalige Kaderleute an

  • Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) erhebt Anklage gegen sechs ehemalige Mitglieder des Kaders von Post und Postauto.
  • Ihnen wird Leistungsbetrug vorgeworfen.
  • Der Schritt erfolgt nach Abschluss des Verwaltungsstrafverfahrens in der Postauto-Affäre.

Anklage beim zuständigen Strafgericht des Kantons Bern erhoben wird gegen den ehemaligen CFO (Finanzchef) des Post-Konzerns, Pascal Koradi, sowie gegen den ehemaligen CEO der Postauto Schweiz AG, Daniel Landolf, den CFO Teilmarktleiter Ost, Teilmarktleiter West und den Chef Markt Schweiz von Postauto Schweiz AG, heisst es in der Mitteilung des Fedpol.

Über Gewinne getäuscht

Das Fedpol wirft den Beschuldigten vor, sie hätten in ihren Funktionen das Bundesamt für Verkehr (BAV) über die effektiven Gewinne des Unternehmens getäuscht, um Abgeltungskürzungen in den Folgejahren zu vermeiden.

Gemäss der Beurteilung des Fedpol haben die Beschuldigten dabei die Verfälschung von Rechnungen veranlasst oder zumindest geduldet, bzw. am Entscheid mitgewirkt, die verfälschten Rechnungen dem BAV einzureichen.

Höchststrafe fünf Jahre Gefängnis

Die festgestellten Handlungen der Beschuldigten bewertet Fedpol als «strafrechtlich gravierend». Sie wird deshalb Freiheitsstrafen gegen die sechs Personen beantragen.

Bei gewerbsmässigem Leistungsbetrug drohen den Beschuldigten im Falle einer Verurteilung Bussen bis zu 30'000 Franken und Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren.

Taten sind teilweise verjährt

Die Untersuchungen dauerten länger als geplant. Eine besondere Herausforderung seien die enormen Datenmengen gewesen, die beschlagnahmt wurden, schreibt das Fedpol. Die Fedpol-Ermittler analysierten über 25 Millionen Datensätze und führten rund siebzig Befragungen durch.

Die Postauto-Affäre

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Im Herbst 2017 stellte das BAV bei einer ordentlichen Revision fest, dass Postauto Schweiz seit 2007 Gewinne im abgeltungsberechtigten regionalen Personenverkehr erzielt und diese in andere Geschäftsfelder umgebucht hatte. Nachdem die Machenschaften aufgeflogen waren, mussten alle Geschäftsleitungsmitglieder von Postauto ihren Posten räumen.

Pascal Koradi, der von 2012 bis 2016 Finanzchef des Post-Konzerns war, wurde Direktionspräsident der Aargauischen Kantonalbank. Von diesem Posten trat Koradi im Juni 2018 im Zusammenhang mit dem Subventionstricksereien bei Postauto zurück.

Finanziell ist der Postauto-Skandal erledigt. Postauto Schweiz hat Bund, Kantonen und Gemeinden insgesamt rund 205 Millionen Franken an erschwindelten Subventionen zurückgezahlt.

Aufgrund der Verjährungsfristen des Verwaltungsstrafrechts sind heute noch die strafbaren Handlungen ab 2014 relevant. Für diese gilt eine Verjährungsfrist von zehn Jahren. Sie verjähren daher frühestens 2024. Für allfällige strafbare Handlungen, die bis 2013 begangen wurden, gilt eine kürzere Verjährungsfrist von sieben Jahren. Sie sind bereits verjährt.

Weitere Strafanzeige hängig

Bei den Untersuchungen stiessen die Ermittler auch auf Hinweise für Bestechung. Das Fedpol reichte deshalb im Frühjahr 2019 eine Strafanzeige bei der Bundesanwaltschaft (BA) ein. Diese eröffnete wenig später ein Strafverfahren gegen Unbekannt.

Post prüft Schadensersatzklage

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Nach der Anklage gegen sechs ehemaligen Angestellte von Post und Postauto Schweiz durch den Bund prüft die Post ihrerseits eine Verantwortlichkeits- und Schadenersatzklage. Die Vorarbeiten liefen bereits und würden nach Abschluss des Fedpol-Verwaltungsverfahrens nun intensiviert.

«Wir hatten wegen des laufenden Verfahrens keine Einsicht in die Akten und durften auch niemanden befragen», schrieb die Post auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Es sei wichtig, dass nun wieder vorwärts gemacht werden könne.

Bis die Angelegenheit lückenlos geklärt sei, behalte die Post die variablen Lohnanteile der beschuldigten Personen zurück.

Das Unternehmen schreibt weiter, sämtliche Kontrollmechanismen eklatant versagt hätten. Dadurch sei die «inakzeptable Praxis» erst möglich geworden.

Der Verwaltungsrat der Post habe inzwischen verschiedene Konsequenzen auf verschiedenen Ebenen ergriffen: organisatorisch, strukturell und personell. Die Post verurteile jegliche Art von Korruption und toleriere diese nicht, heisst es zum laufenden Verfahren bei der Bundesanwaltschaft (BA). Die Post kooperiere vollumfänglich.

Das Strafverfahren wurde inzwischen auf einen BAV-Mitarbeiter wegen des Verdachts der Vorteilsannahme und einen ehemaligen Mitarbeiter von Postauto Schweiz wegen des Verdachts der Vorteilsgewährung ausgedehnt, wie die Bundesanwaltschaft auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mitteilte. Weitere Angaben macht die Behörde derzeit nicht.

Für die nun erfolgte Anklage ist das Strafgericht des Kantons Bern zuständig. Die Untersuchungsakten befinden sich laut Fedpol bei der Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern. Bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils gilt die Unschuldsvermutung.

SRF 4 News, 27.08.2020, 11:00 Uhr ; 

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