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Streit um Corona-Impfstoff «Grundsätzlich kann man jeden Vertrag brechen»

Wer bekommt den Corona-Impfstoff zuerst? Um diese Frage tobt bereits ein heftiger Streit. Die US-Behörden machen massiv Druck – sie wollen zuerst beliefert werden. Dies bekommt auch der Schweizer Pharmazulieferer Lonza zu spüren. Wie sich dieser verhalten werde, sei offen, sagt SRF-Wirtschaftsredaktorin Denise Joder-Schmutz.

Denise Joder-Schmutz

Wirtschaftsredaktorin, SRF

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Denise Joder-Schmutz ist seit 2013 bei der Wirtschaftsredaktion von Radio SRF. Davor hat sie mit einem Master in European Business an der Universität Freiburg abgeschlossen und bei verschiedenen Schweizer Unternehmen gearbeitet.

SRF News: Die US-Regierung will ihren Bürgern bis Ende Jahr exklusiv einen Impfstoff zugänglich machen. Könnte Lonza tatsächlich verpflichtet werden, die USA zuerst zu beliefern?

Denise Joder-Schmutz: Lonza ist quasi Teil des US-Impfstoffprogramms, indem der Visper Konzern einen Vertrag mit dem US-Impfstoffentwickler Moderna eingegangen ist. Moderna arbeitet wiederum eng mit der US-Regierung zusammen. Doch grundsätzlich kann man sagen: Ein Land bei der Zuteilung eines Impfstoffs zu bevorzugen, verstösst gegen die Regeln der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Welche Konsequenzen die Nichteinhaltung des Vertrags mit Moderna hätte, ist unklar.

Laut der «SonntagsZeitung» ist Lonza einen Zehnjahresvertrag mit Moderna eingegangen. Während dieser Zeit soll Lonza an seinem grössten Produktionsstandort Visp im Oberwallis seine Kapazitäten zur Impfstoffherstellung frei halten – und zwar ausschliesslich für US-Bürger. Grundsätzlich kann man jeden Vertrag brechen. Auch Lonza könnte also diesen Vertrag einfach nicht einhalten. Doch ob das Unternehmen das will und was die Konsequenzen wären, ist nicht bekannt.

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Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hofft auf eine faire Verteilung von Impfstoffen. Wird es zu einer internationalen Einigung kommen, oder müssen wir wirklich mit einem Verteilkampf rechnen?

Das ist zurzeit noch offen. Gerade heute wird an der Konferenz der WHO diskutiert, wer künftig zu welchem Preis einen Corona-Impfstoff erhält – wenn es ihn dereinst dann mal gibt. Grundsätzlich sprechen Experten davon, dass der Wille zur Zusammenarbeit zwischen Regierungen, Unternehmen und Organisationen historisch sei. Ob man sich aber tatsächlich einig wird, ist offen. Dabei dürfte das Verhalten der USA eine wichtige Rolle spielen, die einen Impfstoff zuerst für sich beanspruchen.

Das Gespräch führte Rino Curti.

Slaoui: Bei «Warp Speed» statt bei Lonza

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Trump und Slaoui.
Legende: Keystone

Lonza-Verwaltungsrat Moncef Slaoui wechselt als Chefberater zum nationalen Impfstoffprogramm «Warp Speed» der US-Regierung. Er habe sich deshalb entschieden, von seinem Amt als Mitglied des Lonza-Verwaltungsrats zurückzutreten, teilte Lonza mit. Bekanntlich will die US-Regierung mit «Warp Speed» die Entwicklung eines Impfstoffs gegen das Coronavirus vorantreiben. Wegen der Zusammenarbeit von Lonza mit Moderna – und damit indirekt mit der US-Regierung – wäre Slaoui wohl rasch in einen Interessenskonflikt geraten.

SRF 4 News aktuell vom 18.5.2020, 10.10 Uhr ; 

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