Das Wichtigste in Kürze:
- Es braucht dringend neue Medikamente. Tuberkulose-Bakterien sind immer häufiger resistent gegen bestehende Antibiotika. 500‘000 Menschen weltweit können deshalb nicht mehr behandelt werden.
- Die Pharmamultis sind wenig interessiert, weil sie damit wenig Geld verdienen. In Pakistan hat Novartis diesen Geschäftsbereich verkauft. Die Forschung nach neuen Wirkstoffen gegen Tuberkulose finanzieren deshalb vorwiegend staatliche Einrichtungen wie Universitäten sowie private Stiftungen.
- Die Stiftung von Bill und Melinda Gates spendet 110 Millionen Dollar für Forschung und Entwicklung neuer Medikamente. Sie ist die grösste private Geldgeberin der Welt.
Das «Tal des Todes» nennen Forscher die Phase zwischen der Entdeckung eines neuen Wirkstoffes und seiner ersten klinischen Erprobung. Entsprechend schwierig ist es, die nötigen Mittel aufzutreiben. Diese Erfahrung macht gegenwärtig Stewart Cole, Mikrobiologe und Professor an der ETH Lausanne (EPFL). Cole und sein Team haben einen neuen Wirkstoff gegen Tuberkulose entwickelt, der jetzt in die klinischen Tests geht. «Die klinische Phase ist schwer zu finanzieren, vieles kann schiefgehen. Entsprechend hoch ist das Risiko, dass Investoren ihr Geld verlieren», sagt Stewart Cole.
Die klinische Phase ist schwer zu finanzieren, vieles kann schiefgehen.
Dabei hat er durchaus erste Erfolge zu verzeichnen: In Russland wurde sein Wirkstoff bereits klinisch getestet, mit Unterstützung russischer Investoren und mit Staatsgeldern. Denn in Russland ist Tuberkulose weit verbreitet und es braucht dringend einen neuen Wirkstoff, der auch resistente Bakterien vernichtet.
Pharmamultis kürzen Gelder
Jetzt soll Coles neuer Wirkstoff auch in der Schweiz klinisch getestet werden. Finanziert wurde Coles Grundlagenforschung bislang durch öffentliche Fördergelder sowie die Privatstiftung von Bill und Melinda Gates. Auch für die Finanzierung der klinischen Versuche ist Stewart Cole dort wieder vorstellig geworden.
2015 investierte die Gates-Stiftung 110 Millionen Dollar weltweit in Forschung und Entwicklung neuer Medikamente gegen Tuberkulose. Damit ist sie der zweitgrösste Geldgeber nach dem nationalen US-Gesundheitsinstitut. Auf einer langen Liste der Treatment Action Group über die Geldgeber, sind Pharmaunternehmen nur vereinzelt aufgelistet. In den letzten Jahren habe die Pharmaindustrie ihre Forschungsgelder gegen Tuberkulose um 40 Prozent gekürzt, schreibt die Treatment Action Group.
Otto Brändli ist Lungenarzt und Präsident der Schweizerischen Stiftung für Tuberkuloseforschung. Ihn überrascht diese Entwicklung nicht: «Tuberkulose ist eine Krankheit der minderbemittelten Bevölkerung in Ländern, die wenig finanzielle Mittel haben. Deshalb hat die Pharmaindustrie kein Interesse daran. Sie kann die Kosten mit den Medikamentenpreisen nicht hereinholen.»
Die Pharmaindustrie kann die Kosten mit den Medikamentenpreisen nicht hereinholen.
Im vergangenen Juli stoppte der Pharmariese Novartis die Produktion von Tuberkulose-Medikamenten in Pakistan. Novartis hatte um 30 Prozent höhere Preise verlangt, konnte sich aber mit den pakistanischen Gesundheitsbehörden nicht auf einen neuen Preis einigen. Inzwischen ist Novartis ganz aus diesem Geschäft in Pakistan ausgestiegen: «Aus strategischen Gründen haben wir uns entschlossen, einen Teil unseres Nicht-Kernportfolios (einschliesslich der Anti-TB-Produktereihe) in Pakistan zu veräussern.» Dies schreibt Novartis auf Anfrage des Wirtschaftsmagazins ECO des Schweizer Fernsehens.
Kleine forschen weiter
«Ein Tuberkulosemedikament wird nie ein Blockbuster, denn damit ist kein Milliardenumsatz zu machen», sagt auch Marc Gitzinger, CEO der kleinen Basler Forschungsfirma BioVersys. In Zusammenarbeit mit dem Pasteur-Institut im französischen Lille, hat BioVersys ebenfalls einen neuen Wirkstoff gegen resistente Tuberkulosebakterien entwickelt.
Das Forschungsresultat wurde soeben in der renommierten Fachzeitschrift «Science» veröffentlicht. Auch Marc Gitzinger ist daran, mit seinem neuen Molekül das Tal des Todes zu durchschreiten. Immerhin hat er es geschafft, die finanziellen Mittel für die klinischen Versuche zu drei Vierteln durch private Geldgeber zu organisieren.