Die Schweizer Pharmabranche steht unter Druck: US-Präsident Donald Trump will tiefere Medikamentenpreise in den USA und droht der Branche mit Zöllen von bis zu 250 Prozent. Dagegen wehrt sie sich und fordert höhere Preise andernorts, auch in der Schweiz – und dies trotz Rekordgewinnen und Millionenboni. Wie das zusammengeht erklärt der Chef des Branchenverbands Interpharma.
SRF News: Sie fordern angesichts des Drucks aus den USA, dass sich «Innovation wieder lohnen müsse» in der Schweiz, sprich, dass Medikamentenpreise steigen. Gleichzeitig machen die Konzerne Milliardengewinne, erwirtschaften Margen, von denen andere Industrien nur träumen können und zahlen Rekordlöhne. Das versteht doch niemand.
René Buholzer: Ja, das ist nicht einfach zu verstehen. Aber die Margen reflektieren natürlich das hohe Risiko bei der Medikamentenentwicklung. Ein Medikament zu entwickeln, dauert rund zehn Jahre – und nur wenige sind erfolgreich. Die Margen zeigen, dass Risikokapital in die Forschung hineingeht. Unter dem Strich sind die Margen der Pharmaindustrie nicht höher. Sonst würden ja alle nur in Pharmafirmen investieren an der Börse.
Wenn die Margen sinken, ist die Gefahr natürlich da, dass das Geld abfliesst.
Zahlen, die die «NZZ» recherchiert hat, zeigen aber, dass die Gewinne der grossen Pharmaunternehmen nur bedingt für Forschung und Entwicklung eingesetzt werden. Viel mehr profitieren vor allem die Aktionäre von stetig wachsenden Ausschüttungen. Da gäbe es doch Spielraum, um den Preisdruck in den USA zu kompensieren.
Der Risikokapitalgeber muss sein Kapital nicht einer Roche oder Novartis geben. Er kann es auch zum Beispiel in die Swisscom oder in ein Elektrizitätswerk investieren, die weniger risikobehaftet sind. Das ist der entscheidende Punkt. Wenn die Margen sinken, ist die Gefahr natürlich da, dass das Geld abfliesst. Das hiesse, wir hätten weniger Forschung, wir hätten weniger neue Produkte und letztendlich auch weniger Wohlstand in unserem Land. Die Pharma-Firmen und ihre Angestellten bezahlen über fünf Milliarden Franken Steuern pro Jahr. Das ist mehr als der Umsatz, den die Branche in diesem Land macht.
Die Pharma ist mit Abstand der grösste Steuerzahler in dem Land.
Wenn nun ein Pharmaunternehmen aus diesem Grund Medikamente nicht mehr auf den Schweizer Markt bringen oder vom Markt zurückziehen, ist das dann etwas anderes als eine die Trotzreaktion?
Ja, das ist eine ökonomische Realität: Die USA sind und bleiben der attraktivste Markt. Ein Unternehmen wird deshalb nicht in einem kleinen Markt eines sehr reichen Landes tiefe Preise akzeptieren, sondern Medikamente zuerst in anderen grossen Ländern auf den Markt bringen und erst später oder gar nicht in der Schweiz. Die Versorgungssicherheit ist in Gefahr. Seit den Druckversuchen von Präsident Trump noch deutlich stärker als zuvor.
Sie machen also Gesundheitspolitik zu Standortpolitik. Aber ist es nicht sehr problematisch, wenn die Allgemeinheit faktisch am Schluss mehr Krankenkassenprämien bezahlen muss, damit Pharmaunternehmen in der Schweiz bleiben oder in die Schweiz gelockt werden?
Knapp die Hälfte der Gesundheitskosten werden durch allgemeine Steuermittel gedeckt, nicht über die Krankenkassen. Die Pharma ist mit Abstand der grösste Steuerzahler in dem Land. Und die politische Verengung nur auf die Krankenkassenprämien ist nicht die Realität. Darum mein Plädoyer: Nehmen wir eine gesamtheitliche Sicht ein, um die Wohlfahrt in diesem Land und die Versorgung mit Medikamenten sicherzustellen.
Das Gespräch führte Klaus Ammann.