US-Zöllnerinnen und -Zöllner dürften derzeit alle Hände voll zu tun haben. Zusätzlich zu den bereits geschlossenen Zoll-Deals mit anderen Ländern sind um Mitternacht auch Zölle in der Höhe von 39 Prozent auf Waren aus der Schweiz in Kraft getreten.
Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten dürfte das den einen oder anderen an die Grenzen bringen, wie Jens Korte, SRF-Börsenexperte in New York erklärt: «Zu beneiden sind die Zollbeamten nicht. Es gibt über 300 Eingangspunkte in die USA – Häfen, Strassen, Bahnverbindungen und Flughäfen. Es ist ein kleiner Alptraum.»
Preisverhandlungen und Bürokratie
Auch für den Ökonomen Reto Föllmi von der Hochschule St. Gallen (HSG) sind längst nicht alle Fragen geklärt: «Die Zölle scheinen auf den ersten Blick wie ein einfaches Instrument. Wenn man aber genauer hinschaut, merkt man: Es ist gar nicht so klar, wer das eigentlich bezahlt.»
Grundsätzlich gilt: Die Rechnung für die Zollgebühren geht an das Unternehmen in den USA, das die Ware importiert. Es ist verantwortlich für die fristgerechte Erledigung aller Zollformalitäten. Die entsprechenden Dokumente müssen vor der Ankunft der Ware in den USA eingereicht sein, da der Zoll bei der Einfuhr prüft, ob alle Unterlagen korrekt ausgefüllt wurden. Ist dies der Fall, wird die Ware freigegeben und der Importeur erhält die Rechnung für die angefallenen Gebühren.
Die durch die Zölle verursachten Zusatzkosten können auf zwei Arten umgewälzt werden: Entweder die Schweizer Firma schluckt diese und verlangt einen tieferen Einkaufspreis – oder die US-Kunden zahlen dafür.
Laut Experte Föllmi können sich die Verhandlungen unterschiedlich abspielen: «Es kommt darauf an, wie stark die Verhandlungsmacht auf beiden Seiten ist.» Und das hänge stark vom Produkt ab. Bei einem Luxusprodukt wie Champagner dürfte der Hersteller in der stärkeren Position sein. «Da will man dieses eine Produkt und nicht die billigere Alternative.»
Das sagt ein Werkzeughersteller aus der Schweiz
Die Firma Fraisa aus Bellach im Kanton Solothurn ist vom Zollschock direkt betroffen. Das Unternehmen mit knapp 550 Mitarbeitenden hat sich auf die Herstellung von Spezialwerkzeugen spezialisiert. Den grössten Teil seines Umsatzes macht es im Ausland – auch in den USA.
Angst, dass die Kunden die Werkzeuge der Solothurner Firma nun nicht mehr kaufen werden, hat CEO Thomas Nägelin dennoch nicht: «Die US-Kunden haben diese Produkte in ihre Prozesse eingebaut – und so schnell wechselt man das nicht.»
Dass die hiesigen Unternehmen die aktuelle Krise meistern werden, glaubt auch HSG-Ökonom Reto Föllmi. Er sagt, Schweizer Firmen seien agiler als man denkt – und führt den Frankenschock aus dem Jahr 2015 ins Feld, als hiesige Produkte «auf einen Schlag 10 bis 15 Prozent teurer wurden».
Ökonom sieht Verlierer auf beiden Seiten des Atlantiks
Dennoch sieht der Volkswirt im aktuellen Zollkrieg nur Verlierer – also auch die USA selbst: «Die US-Wirtschaft wird sich künftig auf Branchen konzentrieren müssen, in denen sie bislang nicht ihre grössten Stärken hat.»
Föllmi rechnet mit einem zunehmenden Preisdruck in den USA. «US-Firmen werden die Gelegenheit nutzen und den Preis anheben. Das heisst, es gibt eine inflationäre Wirkung aufgrund dieser Zölle.»
Und diese höheren Preise bezahlen am Schluss die Firmen und die Konsumentinnen und Konsumenten in den USA.
Mitarbeit: Martina Koch, Corina Heinzmann