100 Milliarden Dollar, so viel verdient die Handygamebranche jedes Jahr. Rund die Hälfte davon stammt aus In-Game-Käufen. Wie bringt die Branche ihre Kundinnen und Kunden dazu, soviel Geld auszugeben für ein Produkt, das eigentlich gratis ist?
Hooked
Das Geschäftsmodell funktioniert in drei Schritten.
- Die Spieler in das Spiel locken. Das Spiel lässt sich gratis installieren und spielen.
- Das Spiel zur Gewohnheit machen . Indem man die Spieler dazu verleitet, das Spiel täglich mehrmals zu öffnen und sie mit Belohnungen überhäuft, konditioniert man sie darauf, das Spiel gewohnheitsmässig und fast automatisch zu öffnen.
- Ist das Spiel den Spielern ans Herz gewachsen, kann man sie zur Kasse bitten . Ein attraktiver Shop lädt zum Kaufen ein, In-Game-Währungen versüssen das Geldausgeben und Lootboxen appellieren an den Glücksspieler in uns. Events und zeitlich limitierte Angebote schaffen immer neue Kaufgelegenheiten. Frustbarrieren bringen auch den Letzten noch dazu, sein Portemonnaie zu öffnen.
Die Gratisspielbranche hat diese Technik über die Jahre perfektioniert. Was zuerst wie ein Widerspruch klingt: Die wenigsten Spieler geben jemals Geld in Gratisspielen aus.
Für ein durchschnittliches Mobilegame sieht die Realität so aus: Nur zwei Prozent aller Spielerinnen und Spieler zahlt überhaupt etwas, und von diesen zahlen die meisten nur sehr wenig. Es gibt aber eine kleine Gruppe, die hunderte oder tausende Franken ins Spiel stecken: Die 0.1 Prozent, die am meisten in einem Spiel ausgeben, machen etwa die Hälfte der In-Game-Käufe aus.
Wer sind die «Whales»?
Diese kleine Gruppe nennt man Walfische oder «Whales». Die Spielindustrie zeichnet gerne ein positives Bild dieser Whales: Wohlhabende Menschen, die das Spiel als Hobby ansehen und ihr Geld gerne in das Spiel investieren.
Das ist nicht falsch, ignoriert aber eine weitere Realität: Viele der Whales sind vulnerable Personen. Dazu gehören Kinder und Jugendliche, Menschen mit psychischen Problemen wie einer Depression oder einer Spielsucht, Menschen, die sich in einer schwierigen Lebenslage befinden, weil sie zum Beispiel den Job verloren haben oder eine nahestehende Person verstorben ist, oder Menschen mit ADHS oder Autismus.
Hier können Sie sich Hilfe holen
Diese Leute sind besonders anfällig für die Tricks der Gratisspiele. Sie geben oft viel mehr Geld aus als sie eigentlich möchten, stürzen manchmal in Schulden oder rutschen in eine Sucht.
Was gilt?
Viele Tricks der Gratisspiele grenzen an unlauteren Wettbewerb. Laut Gesetz sind nämlich Täuschung und aggressive Verkaufsmethoden nicht erlaubt. Einen Gerichtsentscheid gibt es bisher aber nicht. Auch auf der Webseite des Seco (Staatssekretariat für Wirtschaft) seien bisher noch keine Beschwerden bezüglich Gratisspiele eingegangen.
Einige Elemente gleichen Glücksspiel, besonders die Lootboxen. Allerdings ist es in der Schweiz so: Wenn man in einem Spiel kein Geld und keinen «geldwerten Vorteil» gewinnen kann, gilt es nicht als Glücksspiel. Daher dürfen auch Kinder Lootboxen kaufen, gibt es keine Ausgabenlimiten für Problemspieler und ist das Manipulieren von Gewinnchancen erlaubt.
Der Bundesrat meint zwar, Lootboxen seien problematisch. Er will aber kein Gesetz, sondern die Medienkompetenz der Spielerinnen und Spieler fördern.
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