SRF: Vor einer Woche an der regulären Medienkonferenz haben Sie die Negativzinsen nur als mögliche Massnahme bezeichnet, um die Kursuntergrenze zum Euro zu verteidigen. Warum nun doch dieser Schritt?
Thomas Jordan: Wir haben bereits damals gesagt, dass wir jederzeit bereit sind, weitere Massnahmen zu ergreifen. In der Zwischenzeit hat sich die Situation dramatisch verändert: Die Russlandkrise hat den Druck auf die Finanzmärkte und insbesondere gegenüber dem Franken erhöht. Wir sind nun zum Schluss gekommen, dass es der richtige Zeitpunkt ist, Negativzinsen auf den Guthaben der Banken bei der Nationalbank einzuführen.
Sie mussten bereits am Devisenmarkt intervenieren, um die 1.20-Franken-Untergrenze zum Euro zu verteidigen. War das einer der Auslöser, dass Sie nun gesagt haben, es braucht noch mehr?
Ja, das war mit ein Grund. Wir mussten intervenieren, um den Mindestkurs sicherzustellen. Jetzt sind wir zum Schluss gekommen, dass wir mit den Negativzinsen den Mindestkurs unterstützen wollen.
Ziel ist es, Anleger aus dem Franken wegzuhalten. Der Franken soll nicht attraktiv sein. Können Sie erklären, wie das funktionieren soll?
Die Banken werden jetzt mit einem Negativzins belastet. Sie müssen überlegen, wie sie damit umgehen. Wir gehen davon aus, dass sie primär gegenüber den grossen Anlegern, die Franken gekauft haben in der letzten Zeit, den Negativzins weiterverrechnen werden. Dadurch reduziert sich eben die Attraktivität, in den Franken zu kommen. Das sollte dann auch den Druck auf den Franken etwas abschwächen.
Die grossen ausländischen Anleger sollen also abgeschreckt werden. Aber der Zins war ja schon vorher nicht attraktiv.
Er war aber immer noch positiv. Im Ausland war er zum Teil bereits negativ. Die Europäische Zentralbank hat schon vor einiger Zeit negative Zinsen eingeführt. Dadurch war es attraktiv, in den Franken zu kommen, weil es günstiger war, Liquidität in der Schweiz zu parkieren, als in der Eurozone. Mit unserer neuen Massnahme wird sich das ändern. Wenn jemand sehr viel Geld auf den Konten der Banken hat, dann werden diese Konten belastet und das reduziert die Attraktivität, in den Franken zu kommen.
Bezahlt werden müssen minus 0,25 Prozentpunkte. Warum nicht mehr als ein Viertel Strafzins?
Es handelt sich hier um eine erste Massnahme. Wir werden sehen, wie wirksam sie sein wird. Wir haben ganz klar gesagt, dass weiter Massnahmen nicht ausgeschlossen sind. Auch eine weitere Zinssenkung ist durchaus möglich.
Wir sagen den Banken, dass sie bei der Vergabe von Hypotheken vorsichtig sein müssen.
Für die Banken ist es nun nicht mehr attraktiv, Bargeld zu halten. Nun könnten sie das Geld ja einfach dem Immobilienmarkt geben. Droht da nicht die Gefahr, dass die Immobilienblase noch mehr geschürt wird?
Wir haben bereits sehr tiefe Zinsen für Hypotheken. Wir gehen nicht davon aus, dass diese Massnahme hier einen grossen Einfluss hat. Aber wir sagen den Banken natürlich, dass sie bei der Vergabe von Hypotheken weiterhin sehr vorsichtig sein müssen.
Ende der 1970er Jahre gab es auch schon einmal Negativzinsen. Damals wurde er zwar auf ausländischen Geldern verrechnet. Ist die Situation trotzdem vergleichbar?
In den 1970er Jahren hat man den Banken gesagt, dass sie auf ihren Kundenguthaben, die vom Ausland kommen, Negativzinsen verrechnen müssen. Die Kunden konnten das relativ gut umgehen, indem sie nicht zu den Banken gegangen sind, sondern Wertpapiere gekauft haben. Diesmal belasten wir direkt die Banken. Das wird eine deutlich stärkere Wirkung haben als das in den 1970er Jahren der Fall gewesen ist.
Das Gespräch führte Eveline Kobler.