Der emeritierte Berner Volkswirtschaftsprofessor Ernst Baltensperger hatte am Wochenende eine eine Ablösungsvariante für die Euro-Untergrenze ins Spiel gebracht. Die Nationalbank soll die Untergrenze nach Baltenspergers Ansicht an einem Korb mehrerer Währungen ausrichten.
Mindestkurspolitik zumindest lockern
Baltensperger gehört zu den Verteidigern der Kursuntergrenze, welche die Schweizerische Nationalbank (SNB) im September 2011 einführte. «Die Kursuntergrenze hat der Schweiz bisher hervorragend gedient», sagte er im Interview mit der «NZZ am Sonntag». Doch sei immer klar gewesen, dass sie auch Kosten und Risiken berge und dass sie nicht für immer gelten könne.
Angesichts der Risiken «wäre es wünschenswert, wenn die Nationalbank in absehbarer Zeit ihre Mindestkurspolitik zumindest lockern könnte», betont Baltensperger. Eine Senkung des Mindestkurses von 1.20 auf 1.10 Franken erachte er nicht als sinnvoll. «Aber man könnte den jetzigen Mindestkurs durch eine Untergrenze für einen Währungskorb ersetzen, der beispielsweise je zur Hälfte aus Dollar und Euro besteht.»
Gefahr für Schweizer Wirtschaft
Beim ehemaligen Chefökonomen der Nationalbank, Kurt Schiltknecht, stösst dieser Vorschlag auf offene Ohren. Er findet die Idee eines Währungskorbes gut: «Das Problem besteht heute darin, dass der Franken an eine Schwachwährung gebunden ist.»
Der Euro sei schwach und könnte weiter an Wert verlieren. «Heute verfolgt die Europäische Zentralbank eine so expansive Geldpolitik, dass eine weitere Schwächung des Euro in der nächsten Zeit noch möglich ist. Das wäre für die Schweizer Wirtschaft schlecht», betont der Volkswirtschaftler.
Deshalb sollte sich der Franken nicht nur am Euro sondern auch am zunehmend stärkeren Dollar orientieren. Eine gute Idee sei das, findet auch Tobias Straumann, Wirtschaftshistoriker an der Universität Zürich: «Generell bin ich sehr offen für diese Idee. Ich finde sie sehr gut. Würde aber jetzt persönlich noch zuwarten. Im Moment ist die Situation noch sehr gut für die Schweiz mit dieser Untergrenze.»
Gerade bei Unternehmen, die in den Euroraum exportieren, könnte ein stärkerer Franken die Absatzchancen verringern. Vor- und Nachteile gelte es deshalb gut abzuwägen, ergänzt Straumann.
Ein Ausstiegsszenario fehlt
Auch Martin Janssen, emeritierter Ökonom der Universität Zürich ist von der Idee der Anbindung des Frankens sowohl an den Euro als auch an den Dollar grundsätzlich überzeugt. Allerdings fehlt ihm ein Ausstiegsszenario. Der Frankenkurs sollte möglichst bald ganz losgelöst werden von irgendwelchen Untergrenzen, sagt er.
Ihm fehlt es im Interview der «NZZ am Sonntag» mit seinem Kollegen Baltensperger an einer ebensolchen Exit-Strategie: «Ich finde in diesem ganzen Interview keinen Vorschlag, wie man von dieser neu definierten Untergrenze wegkommt. Und ich würde am wichtigsten finden, dass die Nationalbank wieder schnell zurück zum Markt findet. Denn es ist nicht die Aufgabe der Nationalbank, diesen Wechselkurs langfristig festzulegen.»