SRF News: Schweizer Unternehmen haben schon länger keine grosse Übernahme angekündigt. Woran liegt das?
Patrik Kerler: Letztes Jahr hatten wir einen relativ langsamen Start ins Transaktionsgeschäft. Schweizer Firmen waren vorsichtig. Mittlerweile lässt sich aber besser aufzeigen, wo die Möglichkeiten und die Risiken von Übernahmen sind. Entsprechend haben die Schweizer Unternehmen ihre Taktik angepasst und sie sind wieder aktiver unterwegs.
Wo sehen Sie gute Übernahme-Gelegenheiten für Schweizer Unternehmen?
Die Gelegenheiten sind vielfältig. Sie sind überall, wo man Wachstum erzielen kann, wo man einerseits gute Produkte, die man vielleicht schon im Markt platziert hat, weiterverkaufen kann. Solche Märkte sind spannend. Andererseits stellt sich für den Werkplatz Schweiz auch immer die Frage nach den Produktionskosten. Es besteht ein Interesse daran, dass man Produktionen ins Ausland verlagern oder Produktionen im Ausland einkaufen kann. Das ist ein Thema, das vor allem in der industriellen Fertigung nicht unwichtig ist.
Spielt dabei auch der starke Franken eine Rolle, weil Schweizer Firmen im Ausland mehr für ihr Geld kriegen?
Das ist sicher ein nicht zu vernachlässigender Faktor. Allerdings kauft man, wenn man ein Unternehmen übernimmt, auch eines, das hoffentlich Gewinn abwirft. Und dieser Gewinn wird dann wiederum in Euro oder in Dollar sein. So gesehen ist es eine Verlagerung von Schweizer Franken in eine Fremdwährung. Langfristig ist es also nicht unbedingt ein Vorteil, mit der starken Währung einzukaufen. Aber kurzfristig können diese Vorteile einer volatilen Währung durchaus genutzt werden.
Bei den grossen Übernahmen, die derzeit Schlagzeilen machen, ist die Schweiz, etwa im Fall Syngenta, bloss Übernahmekandidat. Ist das Zufall oder kaufen Schweizer Firmen generell lieber eher kleinere Unternehmen?
Es ist sicher Teil der Schweizer Mentalität, vorsichtig zu sein und lieber ein paar kleine Schritte zu machen, ohne allzu viel zu riskieren. Wir sehen viele mittelgrosse und kleinere Transaktionen von Schweizer Unternehmen. Gleichzeitig, wenn man die grösseren, SMI-kotierten Unternehmen anschaut – etwa ABB, Swiss Re, Roche, Novartis oder die Banken –, sind sie alle mit internationalen Transaktionen gross geworden und haben sich im Markt dort positioniert, wo sie heute sind. Man darf dabei nicht vergessen, dass die Schweiz nicht sehr gross ist. Wir haben nicht so viele Multimilliarden-Unternehmen wie vielleicht die USA, Grossbritannien oder Deutschland. Entsprechend sind Grosstransaktionen hier weniger oft anzutreffen.
Wie entwickelt sich das Transaktionsvolumen in diesem Jahr?
Für die Schweiz wird es eher ein durchschnittliches Jahr werden. Gerade weil bislang mit Ausnahme der Syngenta-Transaktion eigentlich keine sehr grossen Transaktionen angekündigt worden sind. International sieht es nach der Übernahmeankündigung von AT&T und Time Warner nach einem Rekordjahr aus.
Langfristig ist es nicht unbedingt ein Vorteil, mit einer starken Währung einzukaufen.
Man hört oft von der Angst, die Schweiz könnte ausverkauft werden, beispielsweise durch chinesische Investoren. Was ist da dran?
In den vergangenen zehn Jahren haben Schweizer Unternehmen immer mehr eingekauft, als Schweizer Unternehmen ins Ausland verkauft wurden. Die Stärke der Schweizer Wirtschaft spiegelt sich also auch in den Transaktionen. Dieses Jahr gibt es mit den Aktivitäten seitens China eine gewisse Unruhe – nicht nur in der Schweiz, in ganz Europa, zum Teil auch in den USA. Man stellt fest, dass grosse Kapitalströme in die westlichen Märkte kommen. Das führt zu Nervosität. Aber es ist ein natürlicher Prozess, dass Transaktionen nicht nur vom «alten» Westen in die neue Welt, beziehungsweise in die Wachstumsmärkte Asiens ausgehen. Es sind durchaus auch in Asien, spezifisch in China, Unternehmen da, die Transaktionen im Westen tätigen. Inwiefern das einen politischen Hintergrund hat, sei dahingestellt.
Ist es möglich, dass dieses Jahr erstmals mehr ausländische Firmen in der Schweiz einkaufen als umgekehrt?
Man kann dieses Jahr davon ausgehen, dass ausländische Firmen mehr Geld für Schweizer Unternehmen ausgeben, als dies umgekehrt der Fall sein wird.
Ist das ein Trend, der anhalten wird?
Die Bedeutung von ausländischen und insbesondere asiatischen Unternehmen, die sich in Europa und in der Schweiz einkaufen, wird sicherlich gross bleiben.
Das Gespräch führte Klaus Ammann.