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Zahlen, Grafiken, Statistiken Ökonomen weibeln für das Rahmenabkommen mit der EU

Die Juristen waren sich nicht einig. Ganz anders die Ökonomen – zumindest diejenigen, die zur Anhörung eingeladen waren.

Als Politveranstaltung wollten die Ökonomen den Anlass nicht verstanden wissen, sondern als Ergänzung zum öffentlichen «Hearing» mit Juristen, das die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats vor einem Monat medienwirksam durchgeführt hatte.

Heute wollten die Ökonomen nachziehen, angeführt von Avenir Suisse und Economiesuisse. Das Ziel der Ökonomen: Zahlen und Fakten in die teils emotional geführte Debatte über ein Rahmenabkommen mit der EU einbringen. Dazu präsentierten sie Studien und Statistiken.

Man ist sich einig, ...

So rechnet Patrick Dümmler von der Denkfabrik Avenir Suisse vor, wie wichtig die EU für die Schweiz ist: «Wir bräuchten 6,6 Mal das Handelsvolumen, das wir heute mit China haben, um dasjenige mit der EU zu ersetzen.» Und er folgert daraus: «Im Durchschnitt ist rund jeder fünfte Beschäftigte in der Schweiz vom Export in die EU abhängig.»

Rudolf Minsch vom Wirtschaftsdachverband Economiesuisse führt ins Feld, wie wichtig die bilateralen Verträge I von 2001 für die Schweiz seien. «In den folgenden Jahren hat die Schweiz einen signifikanten Wachstumsschub erlebt.»

Rudolf Minsch.
Legende: Den wirtschaftlichen Nutzen der Bilateralen könne man zwar nicht exakt beziffern, sagt Minsch, aber er gehe in die Milliarden. Keystone / Archiv

Dann legt ETH-Konjunkturforscher Jan-Egbert Sturm den Nutzen der Personenfreizügigkeit wissenschaftlich dar. Er thematisiert die Angst der Angestellten, die sich fragen, «was wir davon haben, ob wir verdrängt werden, ob unsere Löhne in Gefahr sind.» Sturms Antwort ist Nein, Lohndruck gebe es nicht.

Doch warum ist die Angst vor Lohndruck trotz dieser scheinbar so eindeutigen «Beweislage» so verbreitet? «Hier spielt nicht nur das wirtschaftliche Element eine Rolle. Auch andere Facetten, die sozialer Natur sind, sind nicht zu vernachlässigen.» Allerdings würden die ETH-Konjunkturforscher nur die wirtschaftliche Seite betrachten: «Da stellen wir fest, dass der Lohndruck im Durchschnitt nicht dagewesen ist.»

... aber Querdenker blieben draussen

Zahlen, Statistiken, Grafiken und grosse Einigkeit bei den insgesamt neun referierenden Ökonomen: Die Schweiz brauche die Bilateralen, brauche eine Einigung mit der EU. Und diese Einigkeit sei kein Zufall, sondern gewollt.

Es hätte sehr wohl auch Querdenker gegeben. Ökonomen, die dem Rahmenabkommen kritisch gegenüberstehen. Etwa Professor Reiner Eichenberger von der Universität Freiburg oder der Gewerkschafts-Chefökonom Daniel Lampart. Sie hätten die Diskussion im Hearing sicherlich belebt, aber fehlten.

Angesprochen darauf, ob er mit der Wahl der Referenten nicht eben doch Politik mache und ganz gezielt nur die Befürworter eines Rahmenabkommens zu Wort kommen lasse, winkt AvenirSuisse-Direktor Peter Grünenfelder ab: «Wir haben diejenigen Ökonomen eingeladen, die Forschungsergebnisse publiziert haben.»

Ein heikles Feld

Andere würden zwar auch viel über die Europa-Frage diskutieren, aber nicht darüber forschen. Doch neben den forschenden Ökonomen durften auch je ein Vertreter der Pharma-Branche und der Industrie die Sicht ihrer Unternehmen darlegen – nicht aber ein Vertreter des europa-skeptischen Gewerbeverbandes.

Der Versuch, die Europa-Debatte mit ökonomischen Überlegungen zu ergänzen, ist begrüssenswert. Schliesslich geht es um das künftige Zusammenleben mit dem wirtschaftlich wichtigsten Partner der Schweiz. Das aber rein wissenschaftlich und politisch absolut neutral zu tun, ist bei einem politisch derart umstrittenen Thema wie dem Rahmenabkommen offenbar kaum möglich.

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