Worum geht es? Um den Leitzins in den USA. Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) wird am Mittwochabend ihre neueste Zinsentscheidung bekannt geben. Beobachterinnen und Beobachter erwarten praktisch einstimmig erstmals seit Jahresbeginn eine Senkung, und zwar um 0.25 Prozentpunkte. Damit würde der US-Leitzins neu in der Spanne zwischen 4.0 und 4.25 Prozent liegen – gegenüber 0.0 Prozent in der Schweiz und 2.0 Prozent in der EU.
Warum ist das wichtig? Der Leitzins ist für Banken wichtig: Zu diesem Satz können sie sich bei der Zentralbank Geld leihen. Sie geben den Satz dann an ihre Kunden über Kredite und Hypotheken weiter, und so beeinflusst der Leitzins schliesslich die gesamte Wirtschaft. Dabei gilt: Ein hoher Zinssatz wirkt inflationsdämpfend, ein niedriger Zins gilt als Instrument, um Investitionen und Konsum anzukurbeln. Speziell bei der US-Notenbank ist, dass sie quasi beides im Blick haben muss: die Preisstabilität und die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Das gebietet ihr sogenanntes duales Mandat.
Warum schaut gerade die ganze Welt auf die Fed? Weil US-Präsident Trump die Notenbank ins Visier genommen hat. Er will die Wirtschaft ankurbeln und setzt dafür auf niedrige Zinsen. Hinzu kommt die massive Verschuldung der USA von rund 37 Billionen Dollar: Sie kostet den Staat über eine Billion Zinsen im Jahr – mehr als die Verteidigung. Ein niedriger Leitzins würde diese Zinslast verringern. Doch die Fed ist in ihren Entscheidungen unabhängig – ein wichtiger Grund für das Vertrauen, das die USA und ihre Währung auf den globalen Finanzmärkten geniessen. Nichtsdestotrotz greift Trump die Fed und ihren Chef Jerome Powell seit Monaten scharf an, weil dieser bislang dem Druck Trumps widerstanden hat. Trump bezeichnete Powell unter anderem als «Totalversager».
Knickt die Fed jetzt ein? Nein, das kann man so nicht sagen. Laut den jüngsten Zahlen schwächelt der US-Arbeitsmarkt immer deutlicher. Gemäss dem dualen Mandat der Fed muss sie solche Entwicklungen bei ihren Entscheidungen berücksichtigen – und die jüngsten Signale von Fed-Chef Powell deuten darauf hin, dass sie das tut. Die Inflationsrate der USA liegt mit zuletzt 2,9 Prozent zwar weiterhin über dem Zielwert von 2 Prozent. Doch Powell sagte in einer Rede auf der US-Notenbankkonferenz in Jackson Hole Ende August, dass die Balance der Risiken sich verändert habe und dies «eine Anpassung unserer Politik rechtfertigen» könne.
Was würde die erwartete Zinssenkung bewirken? Niedrigere Zinsen könnten in den USA Kredite verbilligen und so Konsum und Investitionen ankurbeln, was wiederum längerfristig dem Arbeitsmarkt zugutekommen könnte. Diese Aussichten beflügeln schon jetzt den US-Aktienmarkt. Auf der anderen Seite erhöht ein niedriger Leitzins die Inflationsgefahr. Diese ist aufgrund der Zollpolitik Trumps ohnehin schon gross.
Wird Trump die Angriffe auf die Fed nach einer Senkung einstellen? Davon ist eher nicht auszugehen. Auf seiner Plattform «Truth Social» forderte Trump Powell am Montag auf, die Zinsen noch «deutlicher, als er es vorhatte» zu senken. Zudem versucht der US-Präsident weiterhin, Fed-Gouverneurin Lisa Cook abzusetzen. Bisher haben Gerichte das mit Verweis auf die Unabhängigkeit der Fed gestoppt. Gleichzeitig ist es Trump gelungen, seinen Berater Stephen Miran temporär in den Fed-Vorstand wählen zu lassen. Damit dürfte die Frage der Unabhängigkeit der Fed auch künftig im Raum stehen.