Walter Müller (57) ist in Horgen aufgewachsen, arbeitete jahrelang als Disponent mit Kundenkontakt, Offerten schreiben etc. und fährt seit einigen Jahren Taxi. Hansjörg «Giorgio» Sigrist (73) war Polizist in Locarno, Thalwil und beim Sicherheitsdienst an der Zürcher Börse. Seit der Pensionierung fährt auch er Taxi und für den Fahrtendienst Tixi.
Beide haben keine Schulzeugnisse mehr
Wegen neuer Vorschriften ab 2024 müssen beide Taxifahrer beim Amt für Mobilität des Kantons Zürich einen Taxiausweis beantragen. Das Gesetz schreibt dafür auch einen Sprachnachweis für Deutsch auf Niveau B1 vor (einfache Alltagsgespräche führen und Texte verstehen). Belegt werden kann dies mit Schul- und Ausbildungszeugnissen oder mit dem Abschluss einer Sprachprüfung.
Das Problem der zwei Berufsfahrer: Sie haben ihre Schul- und Ausbildungszeugnisse nicht mehr. Müller hat sie bei einem Umzug verloren. Sigrist hat sie nach der Pensionierung entsorgt im Glauben, dass er sie nicht mehr brauche. Beide sprechen Schweizerdeutsch und Hochdeutsch.
Um ihre Deutschkenntnisse zu belegen, reichten die beiden dem Amt diverse Dokumente ein: Walter Müller ein Arbeitszeugnis mit Tätigkeitsbeschrieb sowie eine Bestätigung eines befreundeten Sekundarlehrers. Giorgio Sigrist ein Schreiben des ehemaligen Vizekommandanten der Stadtpolizei Locarno und je eine Bestätigung des Sicherheitssekretariats der Gemeinde Thalwil und von Six (Börse Zürich). Sämtliche Dokumente wurden nicht als Sprachnachweis akzeptiert.
Sogar die Bestätigung der Gemeindepolizei wird abgelehnt
Giorgio Sigrist legt für den Taxiausweis nun Ende Februar an einer Zürcher Sprachschule eine Sprachprüfung ab. Dafür hat er 250 Franken bezahlt.
Walter Müller hat sich von der Schulverwaltung Horgen für 100 Franken eine amtliche Bestätigung ausstellen lassen, dass er dort vor über 40 Jahren die Primar- und Sekundarschule besucht hatte. Damit hat er seinen Taxiausweis endlich erhalten.
Amt für Mobilität: «Halten uns an die gesetzlichen Vorgaben»
Das SRF-Konsumentenmagazin «Espresso» will vom Amt für Mobilität des Kantons Zürich wissen, weshalb all die glaubwürdigen Dokumente der beiden Männer als Belege nicht akzeptiert werden. Zudem ist offensichtlich, dass die beiden sehr gut Deutsch sprechen. Zu den konkreten Fällen will sich das Amt nicht äussern. Es schreibt jedoch, dass im Gesetz festgehalten ist, wie der Sprachnachweis erbracht werden muss: «Diese Aufzählung ist abschliessend.»
Die Behörden müssten sich an die gesetzlichen Vorgaben halten. Das bedeutet, dass keine Ausnahmen möglich sind. Das Amt für Mobilität weist weiter darauf hin, dass bis auf das Ablegen der Sprachprüfung alle Nachweise kostenlos seien.
Das Ziel des Sprachnachweises für Taxifahrende ist eigentlich sinnvoll: «Wer an einem Taxistandplatz ein Zürcher Taxi nimmt, kann davon ausgehen, dass die Taxifahrerin oder der Taxifahrer gut Deutsch spricht», schreibt das Amt dazu. Die strenge Praxis bei Menschen, die Deutsch als Muttersprache haben, schiesst aber über das Ziel hinaus.