Unfälle mit tödlichem Ausgang geschehen auf einem Motorrad zwanzig Mal häufiger als bei einem Auto. Dennoch gab es bis vor kurzem kaum Motorräder mit komplexen Assistenzsystemen zur Verbesserung der Sicherheit. Ein Grund: Die fahrdynamischen Eigenschaften eines Töffs unterscheiden sich markant von denen eines Autos.
Deshalb kann ein System, das etwa die Stabilität eines Autos regelt, nicht einfach auf ein Motorrad übertragen werden. Führende Hersteller wie Bosch steckten in den letzten Jahren aber viel Ressourcen in die Entwicklung von Sensoren und Steuergeräten speziell für Motorräder, so dass es heute Fahrzeuge auf zwei Rädern, gibt die sicherheitstechnisch ebenso umfangreich ausgestattet sind wie Autos.
Vollgepackt mit digitaler Steuertechnik
In Töffs der aktuellen Generation messen Sensoren den Schräglagenwinkel und die Drehgeschwindigkeit von Vorder- und Hinterrad und unterstützen so den Fahrer auf geraden Strecken und in Kurven – Motorradstabilitätskontrolle (MSC) heisst dieses spezielle ESP (Elektronisches Stabilitätsprogramm) für Motorräder.
Dank Radarsensoren kann der Töff auch automatisch immer denselben Abstand zum vorderen Fahrzeug einhalten (adaptiver Tempomat) und merkt, wenn ein Fahrzeug überholt (Tote-Winkel-Warner). Ein Notbremssystem greift bei einer kritischen Situation ein und verhindert Auffahrunfälle.
Mit einem Gas-Stoss den sicheren Sturz vermeiden
Die besten Assistenzsysteme aber nützen nichts, wenn wegen Nässe, Laub oder Öl sich der Reibwert der Fahrbahn plötzlich ändert. In dieser Situation hat der Fahrer kaum Zeit, angemessen zu reagieren – es kommt zum Sturz.
Hersteller Bosch hat nun mit einem Prototypen gezeigt, was in Zukunft die Lösung sein könnte: Erkennt ein Sensor, dass das Motorrad seitlich wegrutscht, entweicht durch eine Düse unter hohem Druck Gas. Auf der Strasse erzeugt das Gas eine Rückstosskraft, die das wegrutschende Motorrad aufrichtet und in der Spur hält. Ob und wann das System auf den Markt kommen wird, ist offen.
Vorausschauend fahren dank Vernetzung
Schneller am Start werden Lösungen sein, die im Voraus wissen, wo eine Gefahr auf der Strasse lauert. Wenn ein Fahrzeug beispielsweise bei einem Ölfleck vorbeifährt, meldet es den Vorfall automatisch an alle Fahrzeuge in einem bestimmten Radius und warnt andere Fahrer. Reagieren diese nicht rechtzeitig, könnte ein Assistenzsystem die Geschwindigkeit automatisch drosseln, so dass bei der kritischen Passage keine Sturzgefahr mehr droht.
Technisch sind viele moderne Motorräder und Autos oder auch Lastwagen schon heute bereit, sich zu vernetzen – kommunizieren können aber in der Regel nur Fahrzeuge desselben Herstellers untereinander. Der Grund: Jeder hat seine eigene Insellösung in der Hoffnung, mit den Daten neue Geschäftsmodelle zu generieren. Das Geschäft mit den Daten verhindert Standards, die eine Kommunikation aller Verkehrsteilnehmer ermöglichen würden. Eine derzeit verpasste Chance, um schwere Unfälle noch mehr zu vermeiden.
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