Alles begann mit einem Anruf einer Inserate-Verkäuferin des DMM-Verlags. Den Anruf entgegengenommen hat Tatiana Martinez. Sie besitzt in Buchs im Kanton St. Gallen einen Hanf-Shop. Was die Frau am Telefon erzählt, hört sich attraktiv an: ein Inserat zu einem Spezialpreis. «Machen wir», sagte Tatiana Martinez. Sie gibt das Inserat für knapp 500 Franken in Auftrag und denkt, dass damit die Sache erledigt sei.
Aus einem Inserat werden plötzlich mehrere
Doch kurz darauf ruft eine andere Frau des DMM-Verlags an. «Sie suggerierte, dass es sich um das bereits in Auftrag gegebene Inserat handeln würde und fragte, ob alles passt», erzählt Tatiana Martinez: «Ich sagte Ja».
Es folgen weitere Anrufe von weiteren DMM-Mitarbeiterinnen und Martinez erhält plötzlich Rechnung um Rechnung für Inserate, die sie nie in Auftrag gegeben hat.
Stornieren wäre möglich, schreibt ihr eine Mitarbeiterin des DMM-Verlags. Allerdings: die Stornierungsgebühren kosten mehr als das Inserat. «Das ist ein Witz», sagt Tatiana Martinez dazu. Deshalb fühlt sie sich gezwungen, die Rechnungen zu bezahlen: «Es ging um insgesamt 2000 Franken, das ist viel Geld». Sie will nichts mehr mit dem DMM-Verlag zu tun haben und sperrt die Nummer.
«Kurz darauf erhielt ich eine Mail wegen eines weiteren Inserats. Ich antwortete, dass ich das Inserat nicht in Auftrag gegeben habe.» Doch es flattern weitere Rechnungen ins Haus. «Das konnte ich nicht glauben, eine absolute Frechheit, wie die mit allen Mitteln versuchten, mir das Geld aus der Tasche zu ziehen», sagt Martinez.
Tatiana Martinez konnte erst mithilfe eines Anwalts Rechnungen stornieren.
Der Fall Martinez ist kein Einzelfall. «Kassensturz» hat mit über zehn Kleinunternehmen gesprochen, die negative Erfahrungen mit den Firmen DMM Verlag AG, Welldone Media GmbH und TK Media AG machten. Diese Verlagsfirmen gehören alle zur BK Group Holding AG, deren alleiniger Verwaltungsrat Werner Kaufmann ist.
Laut Recherchen von «Kassensturz» arbeiten alle Inserate-Verkäufer und Verkäuferinnen von Hünenberg im Kanton Zug aus. Vor Ort zeigt sich, dass die Firmennamen auf einer grossen Reklame-Tafel angeschrieben sind, doch ein Klingelschild sucht man vergebens.
Recherchen führen zu mehreren ehemaligen Mitarbeitenden, die berichten, wie Kundinnen und Kunden immer wieder über den Tisch gezogen werden.
«Die Kundinnen und Kunden werden manipuliert»
Die ehemaligen Mitarbeitenden sprechen von einer Abzockmasche: «Die Kunden werden manipuliert.» Laut ihnen funktioniert die Masche folgendermassen: «Wir wählen aus einem Firmenverzeichnis eine Firma aus, rufen sie an und machen ein attraktives Inserate-Angebot. Wird ein Inserat verkauft, werden die Kundendaten intern weitergegeben, damit eine andere Mitarbeiterin den Kunden anrufen kann, um ihn zu fragen, ob alles okay sei.»
Wenn der Kunde den Auftrag bestätigt, werde diese Bestätigung aufgezeichnet. Doch der Kunde wisse nicht, dass er damit einen neuen Inserate-Auftrag in einem anderen Magazin bestätigt und eine entsprechende Rechnung erhält. «Der Kunde hat keine Chance, sich im Nachhinein zur Wehr zu setzen, da wir seine Bestätigung aufgezeichnet haben», erklärt eine ehemalige Mitarbeiterin.
Firmenbesitzer widerspricht
Werner Kaufmann weist den Vorwurf «entschieden zurück». Es gebe «Qualitätskontrollen» und es werde nach klaren «Prozessen und Vorgaben» gearbeitet: «Jeder Verkäufer und jede Verkäuferin wird regelmässig geschult und weiss, dass stets transparent und korrekt mit den Kunden umgegangen werden muss.»
Allerdings können Fehler passieren, schreibt Kaufmann: «Wir sind bestrebt, Fehler konsequent zu korrigieren und notfalls sogar fehlbare Mitarbeiter zu entlassen. 2023 kam es leider zu einzelnen solchen Entlassungen.»
So habe man auch den ehemaligen Verlagsleiter entlassen. Fehlerhafte Aufträge würden storniert: «Das gilt auch für einzelne Aufträge, die 2023 zu unserem Bedauern fehlerhaft gebucht worden sind. Wir sind generell bei Fehlern kulant.»
Kulant? Dem widersprechen die meisten Kundinnen und Kunden, mit denen Kassensturz Kontakt hatte.
Mit Rabatt-Angeboten auf Kundenfang
Treuhänder Peter Grass machte sich vor zwei Jahren selbstständig. Er inserierte im Tagblatt der Stadt Zürich, worauf sich neue Kundinnen und Kunden meldeten. Doch eines Tages erhält er aus dem Nichts einen Anruf einer anderen Verlagsfirma, auch für ein Inserat. Es war die DMM Verlag AG. Die Mitarbeiterin macht ihm ein attraktives Angebot, mit Erfolg.
Peter Grass inseriert in verschiedenen Magazinen und Zeitungen des DMM-Verlags, der Welldone Media GmbH sowie der TK Media AG.
Die Gratis-Magazine heissen «Swiss KMU Magazin Plus», «Punkt Magazin», «Extra Magazin», die Gratiszeitungen «A1 Kurier» oder «Kurier Züri», oder «SLG Woche».
50'000 Franken für die Katz?
Grass geht stets davon aus, dass all die Inserate neue Kundinnen und Kunden generieren, doch Fehlanzeige: «Ich habe in den zwei Jahren 50'000 Franken für Inserate bezahlt, doch kein einziger Kunde meldete sich. Das schmerzt mich sehr.» Werner Kaufmann entgegnet, dass die Vorwürfe nicht nachvollziehbar seien, man habe eine «langjährige und konstruktive Kundenbeziehung gehabt.»
Peter Grass fragt sich heute, ob die Magazine und Zeitungen überhaupt jemand liest. Die Frage ist berechtigt: Ein Blick in die Publikationen zeigt eine Ansammlung von Inseraten. Redaktionelle Inhalte: praktisch null.
Nicht beglaubigte Leserzahlen
Laut den «Mediadaten», die auf der Internetseite zu finden sind, soll das «Swiss KMU Plus Magazin» eine Leserschaft von 500'000 haben. Das sind viel mehr Leserinnen und Leser, als die Printausgaben von «Blick» (291'000) oder der «Tagesanzeiger» (307'000) haben. Die Angaben von «Blick» und «Tagesanzeiger» sind alle beglaubigt.
Die Zahlen von Werner Kaufmanns Publikationen sind hingegen nicht beglaubigt. Er stützt die hohe Leserzahl auf telefonische Befragungen und die Annahme, dass jedes Gratis-Magazin «einmal pro Tag in die Hand genommen wird».
Das «Swiss KMU Plus Magazin» soll in über 1289 Ortschaften aufgelegt werden, beispielsweise in Gemeindeverwaltungen.
Das «Streugebiet» reiche von Trimbach bis nach Rümlang. Auch das «Extra Magazin» soll in Rümlang aufliegen.
«Diese Magazine habe ich noch nie gesehen»
«Kassensturz» will es genau wissen und geht nach Rümlang. Sind die zwei Magazine tatsächlich zu finden, kennt und liest sie jemand?
Nachfrage beim Gemeindepräsidenten Peter Meier-Neves (SVP): Kennt er diese Magazine? «Mhh, noch nie gesehen. Diese Magazine sind mir völlig unbekannt.» Eine kurze Umfrage beim Bahnhof Rümlang führt zum selben Ergebnis: Niemand kennt die Magazine. Auch die Gemeindeverwaltungen in Kloten, Aarau, Baden, Amriswil, Sirnach, Regensdorf, Frauenfeld und Urdorf halten auf Anfrage fest: «Diese Magazine haben wir noch nie gesehen.»
In einer ersten Stellungnahme verteidigt Werner Kaufmann die Leserzahlen, diese seien korrekt. Als «Kassensturz» nachfragt, wie denn die Leserzahlen überprüft werden, krebst er zurück. Zu den angeblich 420’000 Leserinnen und Leser der Gratis-Zeitungen schreibt er jetzt plötzlich: Diese Zahl sei «vermutlich zu hoch gegriffen».
Peter Grass will mit diesen Firmen nichts mehr zu tun haben. Dass die Inserate Null Effekt haben, sei ein «bedauerlicher Einzelfall», schreibt Werner Kaufmann. Das sehen jedoch die allermeisten von «Kassensturz» befragten Kunden anders: Der Tenor: Die Inserate hätten nichts gebracht, es sei aus dem Fenster geworfenes Geld.