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Was der Chef darf und was nicht
Aus Espresso vom 22.09.2022. Bild: Imago
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WC-Pausen und Fehler-Bussen Diese Schikanen müssen Sie sich vom Chef gefallen lassen

Vorgesetzte haben ein Weisungsrecht gegenüber ihren Angestellten. Doch es gibt Grenzen.

Die Rechtslage kurz erklärt:

Betriebe dürfen Regeln aufstellen, wie sich die Angestellten zu verhalten haben. Juristinnen und Juristen reden vom Weisungsrecht. So viel vorweg: Nicht jede schikanöse Weisung ist auch rechtswidrig.

Beispiel 1: Ausstempeln für Rauch- oder Toilettenpausen

Ein Chef darf von seinen Angestellten verlangen, dass sie für den Gang zur Toilette oder für die Rauchpause «ausstempeln». Will heissen: entweder nutzen Angestellte die ihnen zustehenden, unbezahlten Pausen oder sie müssen die Arbeitszeit nachholen.

Das Recht auf Pausen ist im Arbeitsgesetz geregelt: Die Länge der Pausen. hängt von der täglichen Arbeitszeit ab: Beträgt die Arbeitszeit mehr als 5 ½ Stunden, haben Angestellte Anspruch auf eine Pause von einer Viertelstunde, bei einer Arbeitszeit mehr als 7 Stunden auf eine halbe Stunde und ab 9 Stunden Arbeitszeit muss die Pause mindestens eine Stunde dauern. 

Beispiel 2: Bussen für Fehler

Verschiedene Betriebe bestrafen Pflichtverletzungen ihrer Angestellten mit Bussen: 100 Franken, wenn der Arbeitsrapport zu spät abgegeben wird, 10 Franken für eine schmutzig zurückgelassene Kaffeemaschine oder 300 Franken für Rauchen im Geschäftswagen.

 «Bussen» im rechtlichen Sinne darf ein Arbeitgeber nicht verhängen. Dieses Recht steht einzig dem Staat zu. Rechtlich betrachtet handelt es sich bei solchen «Bussen» um Vertragsstrafen. Laut Bundesgericht sind sie nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen zulässig:

  1. Der Bussenkatalog muss im Arbeitsvertrag oder in einem Reglement festgelegt sein, sodass der Arbeitnehmer bei der Unterschrift des Vertrages weiss, worauf er sich einlässt.
  2. Das unerwünschte Verhalten und die Höhe der daraus resultierenden «Busse» muss im Vertrag oder im Reglement genau und detailliert festgelegt sein.
  3. Die «Busse» muss, gemessen an der Verfehlung, verhältnismässig sein. 300 Franken für das Missachten des Rauchverbots mag in einem Betrieb mit Explosions- oder Brandgefahr angemessen sein, in einem Einzelbüro dagegen nicht.
  4. Eine «Busse» muss einen Strafcharakter haben und soll das Ziel verfolgen, dass sich Angestellte korrekt verhalten. Nicht zulässig ist, wenn Angestellte bei Fehlern durch die «Bussen» Schadenersatz leisten müssen. Laut Obligationenrecht kann ein Angestellter zwar für Fehler haftbar gemacht werden, jedoch nur dann, wenn ihn ein Verschulden trifft und wenn dem Betrieb daraus ein Schaden entstanden ist.
  5. Schliesslich darf der Arbeitgeber «Bussen» nicht einführen, um sich zu bereichern.

Ist eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt, darf ein Arbeitgeber keine Busse verhängen. Betroffene Angestellten informieren sich am besten bei einer Gewerkschaft oder bei einer auf Arbeitsrecht spezialisierten Beratungsstelle.

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Die Rechtsexpertinnen Gabriela Baumgartner und Raphaela Reichlin beantworten jeden Donnerstag im «Espresso» eine Rechtsfrage. Hier geht es zu den bisherigen Antworten.

Falls auch Sie eine Frage haben, schreiben Sie uns.

Gut zu wissen: Der Anspruch auf finanzielle Leistungen aus einem Arbeitsvertrag verjährt nach 5 Jahren. Zu Unrecht bezahlte Bussen könnten somit am Ende des Arbeitsverhältnisses zurückgefordert werden.

Espresso, 22.09.22, 08:13 Uhr

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