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Leistung als Dauerzustand Ramona Bachmann: «Man kann nicht ewig Vollgas geben»

Kaum Erholungszeit, steigende Erwartungen, kurze Karrieren: Ramona Bachmann beschreibt, wie sich der Profialltag im Frauenfussball anfühlt, warum Belastung oft zur Normalität wird und welche Überlegungen ihre nächsten Entscheidungen prägen.

SRF: Ramona Bachmann, Sie stehen seit Ihrer Jugend im internationalen Fussball im Einsatz. Wie verändert sich der Blick auf den eigenen Körper mit den Jahren?

Ramona Bachmann: Mit der Zeit merkt man, was man alles ignoriert hat. Als junge Spielerin denkst du selten darüber nach, ob du müde bist oder Schmerzen hast. Du trainierst einfach weiter. Aber wenn man 18 Jahre lang praktisch ohne Pause unterwegs ist, fordert das irgendwann seinen Preis. Man kann nicht dauerhaft Vollgas geben und erwarten, dass der Körper das kommentarlos mitmacht.

Gerade deshalb ist es wichtig, über Belastung zu sprechen – nicht als Schwäche, sondern als Realität im Leistungssport.
Autor: Ramona Bachmann Fussballprofi

Der Spielbetrieb im Profisport wird immer dichter getaktet. Wie erleben Sie diese Entwicklung im Frauenfussball?

Es gibt mehr Spiele, mehr Reisen, mehr Öffentlichkeit. Gleichzeitig bleiben die Erholungszeiten fast gleich. Man ist oft müde, hat irgendwo Schmerzen und geht trotzdem ins Training. Das gehört zum System. Gerade deshalb ist es wichtig, über Belastung zu sprechen – nicht als Schwäche, sondern als Realität im Leistungssport.

Sie arbeiten nach einem Kreuzbandriss an Ihrem Comeback. Wie sind Sie diese Phase angegangen?

Mit Geduld. Ich möchte zurück auf den Platz, aber nicht um jeden Preis. Wenn meine Reha weiterhin so gut verläuft, werde ich voraussichtlich im März wieder spielbereit sein. Ich freue mich sehr darauf. Gleichzeitig hat mir diese Pause gezeigt, wie wichtig Erholung ist. Eine Erfahrung, die man früher oft unterschätzt hat.

Sie werden bald 35. Wie planen Sie Ihre sportliche Zukunft?

Realistisch ist: Das Interesse an Spielerinnen über 30 ist kleiner. Das ist nicht negativ gemeint, sondern Teil des Geschäfts. Für mich wird entscheidend sein, ob ein Verein mir auch eine Perspektive über die aktive Karriere hinaus bieten kann. Ich höre mir Angebote aus dem In- und Ausland an und lasse mir bewusst Zeit.

Auch privat hat sich Ihr Leben verändert. Wie fliesst das in Ihre Entscheidungen ein?

Es ist schön, nach so vielen Jahren wieder mehr Zeit in der Schweiz zu verbringen, nahe bei Familie und Freunden. Gleichzeitig ist die Situation für meine Frau nicht ganz einfach, weil vieles von meiner sportlichen Zukunft abhängt. Fussballkarrieren sind kurz und deshalb spielt Stabilität eine immer grössere Rolle.

Der Hype darf nicht schneller wachsen als die Strukturen.
Autor: Ramona Bachmann Fussballprofi

Der Frauenfussball erlebt aktuell viel Aufmerksamkeit. Was fehlt aus Ihrer Sicht trotzdem?

Sichtbarkeit ist wichtig und positiv. Stadien füllen sich, junge Mädchen finden Vorbilder. Aber Aufmerksamkeit allein löst keine strukturellen Fragen. Investitionen, medizinische Betreuung, Erholungszeit und Planungssicherheit sind entscheidend. Der Hype darf nicht schneller wachsen als die Strukturen.

Was wünschen Sie sich für die kommenden Jahre – für sich persönlich und für den Frauenfussball?

Gesundheit und Freude am Spiel. Und für den Frauenfussball wünsche ich mir, dass die Entwicklung nachhaltig ist: mehr Professionalität, bessere Rahmenbedingungen und mehr Verständnis dafür, dass auch Spitzensportlerinnen Grenzen haben. Davon profitieren am Ende alle.

Das Gespräch führte Judith Wernli.

Radio SRF 3, Focus, 8.12.2025, 20:00 Uhr

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