Ein Jahr nach dem sportlich mageren Abschneiden an der Heim-WM in Zürich wusste Swiss Cycling in Kigali mehrheitlich zu überzeugen. Mit Marlen Reusser stellt die Schweiz erstmals seit 15 Jahren wieder eine Einzel-Weltmeisterin bei der Elite.
Entsprechend zufrieden zeigt man sich bei Swiss Cycling – auch wenn mit etwas mehr Rennglück noch mehr als ein Regenbogentrikot möglich gewesen wäre. «Natürlich überwiegt das Positive», bilanziert Thomas Peter, der Geschäftsführer des nationalen Verbandes. «Vier Medaillen hätten wir im Vorfeld nie erwartet. In praktisch allen Rennen – ob Zeitfahren oder Strassenrennen – waren wir präsent, waren wir bei den Leuten.»
Verpasste Chancen
Trotz der erfreulichen Gesamtbilanz bleibt die Erkenntnis, dass das Potenzial im Elitebereich nicht voll ausgeschöpft wurde. Im Mixed-Teamzeitfahren lag die Schweiz auf Goldkurs, doch eine defekte Schaltung am Velo von Reusser und ein darauf folgender taktischer Fehlentscheid warfen das Team zurück. Am Ende resultierte «nur» Bronze.
Auch im Strassenrennen der Frauen wäre eine Medaille möglich gewesen. Das starke Schweizer Team blieb jedoch unbelohnt. Elise Chabbey musste sich mit dem undankbaren 4. Rang begnügen.
Rosige Aussichten
Ein Blick auf den Medaillenspiegel zeigt: Keine Nation hat mehr Top-3-Ränge geholt als die Schweiz. Dass sie hinter den Niederlanden, Grossbritannien und Frankreich auf dem starken 4. Platz erscheint, ist auch den zwei Podestplätzen im Nachwuchsbereich zu verdanken. Der 20-jährige Fricktaler Jan Huber gewann Silber im U23-Strassenrennen, die 16-jährige Luzernerin Anja Grossmann Bronze bei den Juniorinnen.
Sie hätten nicht nur sportlich überzeugt, sondern auch gezeigt, dass das Schweizer Fördersystem greift, findet Peter. «Diese Medaillen bedeuten uns sehr viel. Sie zeigen, dass unsere Strukturen funktionieren. Wir haben in fast allen Kategorien Talente, die vorne mitfahren.»
Auf Kigali folgt 2026 Montreal
Im kommenden Jahr wird die Strassen-WM in Montreal ausgetragen – dort, wo 1974 diese Veranstaltung erstmals ausserhalb Europas stattfand. Während die Strassenrennen erneut in hügeligem Gelände gefahren werden, gilt das Terrain für die Zeitfahren als vergleichsweise flach.
2027 findet im französischen Département Haute-Savoie zum zweiten Mal nach Glasgow 2023 eine Super-WM statt. Bei diesem Grossereignis werden zahlreiche Weltmeisterschaften verschiedener Disziplinen wie Strasse, Bahn, Mountainbike und BMX unter einem Dach vereint.
Nach der WM ist vor der EM
Eine grosse Verschnaufpause gibt es nach der WM in Ruanda nicht. Mit der EM in Südfrankreich geht die Medaillenjagd bereits diese Woche in die nächste Runde. Am Mittwoch fallen in der Region Drôme-Ardèche rund um Valence in den Zeitfahren die ersten Entscheidungen. Als Weltmeister sind Reusser und Evenepoel in der Favoritenrolle.
Aufgrund des deutlich flacheren Profils dürfen sich bei den Männern auch Stefan Küng und Stefan Bissegger Medaillenchancen ausrechnen. In den Strassenrennen am Wochenende hat das Schweizer Team eine Scharte auszuwetzen. Seit die EM-Trikots 2016 erstmals vergeben worden sind, hat es weder eine Schweizerin noch ein Schweizer aufs Podest geschafft.