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Hirnforschung Wir sind jugendlich bis Anfang 30 – zumindest im Gehirn

Neue Studie zeigt, wie sich die Struktur des menschlichen Gehirns mit dem Alter verändert: nicht kontinuierlich, sondern in Epochen.

Wie verändert sich die Struktur des menschlichen Gehirns zwischen null und 90 Jahren? Dieser Frage ging ein Forschungsteam aus Grossbritannien und den USA auf den Grund. Die Wissenschaftlerinnen untersuchten Gehirn-Scans von mehr als 4200 Probandinnen und Probanden. 

Gehirnscans.
Legende: Mit Gehirnscans von Probanden und Probandinnen untersuchte das Forschungsteam die Strukturveränderung des Gehirns zwischen null und 90 Jahren. IMAGO

Die komplexe Auswertung dieser Scans zeigt: Die Vernetzung im Gehirn verändert sich nicht kontinuierlich, sondern während verschiedener altersabhängiger Phasen auf charakteristische Art und Weise.

Die Vernetzung unserer Gehirnzellen 

Konkret untersuchten die Forschenden die weisse Substanz im Gehirn. Diese besteht hauptsächlich aus den Nervenfasern, die die einzelnen Gehirnzellen miteinander verbinden. Die weisse Materie sorgt dafür, dass die Neuronen sich untereinander austauschen können.  

Die Studie zeigt, dass sich die strukturelle Organisation des Gehirns über die Lebensspanne hinweg in mehrere klar erkennbare Phasen einteilen lässt.
Autor: Nora Raschle Neurologin

Was bei dieser Analyse herauskam, findet die Neurologin Nora Raschle sehr interessant. Sie ist Professorin für Entwicklungsneurowissenschaften am Jacobs Center der Universität Zürich und war nicht an der aktuellen Publikation beteiligt: «Die Studie zeigt, dass sich die strukturelle Organisation des Gehirns über die Lebensspanne hinweg in mehrere klar erkennbare Phasen einteilen lässt.» 

Lange Adoleszenz, stabile mittlere Lebensphase 

Die erste Epoche ab Geburt bis etwa neun Jahre ist der Studie zufolge gekennzeichnet dadurch, dass die Vernetzung übers ganze Gehirn hinweg stetig zunimmt.

Danach folgt eine Phase, die bis Ende 20 oder gar Anfang 30 andauern kann. Die Struktur des adoleszenten Gehirns verändert sich so, dass es immer effizienter arbeiten kann: Die Verbindungen im Gehirn werden stetig verfeinert – sowohl innerhalb einzelner Regionen als auch zwischen verschiedenen Hirnregionen.  

Ab etwa Anfang 30 bis Mitte 60 folgt gemäss der aktuellen Studie die längste und auch stabilste Epoche der strukturellen Gehirnentwicklung. Die Vernetzung im Gehirn verändert sich nur wenig. Danach beginnt das Gehirn, sich mehr und mehr zu spezialisieren – die Vernetzung innerhalb einzelner Hirnregionen nimmt zu. Ab etwa Mitte 80 dann dünnen die Netzwerke im Gehirn zunehmend aus.  

Aussehen und Funktion des Gehirns 

Die Autorinnen der aktuellen Studie erwähnen, dass die von ihnen identifizierten Phasen in der strukturellen Gehirnentwicklung mit bedeutenden Lebensabschnitten zusammenfallen: das frühkindliche Lernen, das Erlernen komplexer kognitiver Aufgaben während der Jugend und dem frühen Erwachsensein. Aber auch gesundheitliche Probleme wie Demenzerkrankungen, die Mitte 60 oft ihren Anfang nehmen.  

Die Entwicklungsneurologin Nora Raschle betont jedoch: «Zwischen der Struktur und der Funktion des Gehirns besteht ein bedeutsamer Zusammenhang, aber dieser ist nicht direkt oder vollständig.» Die Netzwerke im Gehirn geben zwar vor, welche Hirnregionen miteinander verbunden sind. Wie das Gehirn diese Verbindungen tatsächlich nutzt, hängt hingegen von vielen weiteren Dingen ab. 

Durchschnitt versus individuelle Entwicklung 

Stress, Müdigkeit, Aufmerksamkeitsvermögen, Umweltfaktoren spielen eine sehr grosse Rolle dabei, ob das Gehirn seine Struktur umfänglich nutzen kann. «Die Ergebnisse der aktuellen Studie sind daher wie eine allgemeine Entwicklungslandschaft zu verstehen», sagt Nora Raschle, «nicht als individuelle Prognose.»

Radio SRF1, 26.11.2025, 15:15 Uhr

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