Das Kurzvideo von einem Hai in Turnschuhen namens «Tralalero Tralala» ist so schlecht gemacht, nervös und inhaltslos, dass man das Gefühl hat, einem beginne beim Schauen das Hirn zu faulen. Doch genau das ist der Punkt bei den sogenannten «Brainrot»-Videos.
Klingt schrecklich, doch kleine Kinder scheinen diese Videos zu lieben. Wenn sie dank eigenem iPad oder dem Smartphone der Eltern Zugriff auf Youtube oder Tiktok haben, landen sie früher oder später bei solchen Videos. Und deren Klickzahlen scheinen zu zeigen: Kinder lieben stupiden und grellen «Brainrot».
Ein Blickfang
Entwicklungspsychologin Ebru Ger von der Uni Bern ist nicht überrascht: «Die Grundlagenforschung zeigt uns, dass diese Reize für Kinder anziehend sind», sagt sie im Interview mit SRF. «Brainrot»-Videos seien voll schneller Bilder, greller Farben und lauter Geräusche: «Unser Hirn reagiert automatisch auf solche Reize: Man kann gar nicht anders, als hin zu schauen.» Dieser Effekt lässt sich auch bei anderen Videos beobachten - der «Brainrot»-Trend treibt es jedoch auf die Spitze.
Für Kinder seinen solche Videos ein viel ausgeprägterer Blickmagnet als für Erwachsenen, erklärt Ebru Ger: «Ihre Fähigkeit, die Aufmerksamkeit bewusst zu steuern, ist noch in Entwicklung». Die sogenannten «exekutiven Funktionen» oder die «kognitive Kontrolle» müsse sich bei Kindern erst noch ausbilden, besonders vor dem sechsten Lebensjahr.
Da stellt sich die Frage: Machen diese Videos den Kindern wirklich Spass? Oder können sie einfach nicht wegschauen?
Gefangen im Loop
Noch fehlen Studien zu «Brainrot»-Videos, sagt Psychologin Ebru Ger, aber eigentlich würden schon kleine Kinder lieber sinnvolle Geschichten mögen. Eine Studie mit Filmen habe gezeigt: «Wenn Inhalte unlogisch zusammengeschnitten sind, dann schauen Kinder öfter weg oder beschweren sich sogar.» Und das schon ab dem zweiten Lebensjahr.
Wieso schauen Kinder dann trotzdem so viel «Brainrot»? Ebru Ger vermutet, dass Eltern ihre Kinder oft zur Ablenkung vor ein Gerät setzen und der Nachwuchs eher zufällig auf solche Videos stosse. Und dann nicht mehr davon weg komme: «Wenn die Kinder einmal drin sind und von den Reizen 'gezogen' werden, dann ist es wie ein Loop. Es gibt fast keine Pause, die es den Kindern ermöglicht, sich abzulenken: Es kommt immer wieder etwas Neues.»
Die Kinder sind quasi gefangen in der Endlosschlaufe: Dank der Autoplay-Funktion folgt auf ein Video gleich das nächste. Auch dieser Effekt wirke bei Kindern besonders stark: Sie interessierten sich für alles, was neu ist, denn so lernten sie die Welt kennen. Nur: In den «Brainrot»-Videos gibt es nichts zu lernen.
Ist das schlimm?
Kurzvideos und insbesondere «Brainrot» sind ein neues Phänomen, daher fehlt es an Langzeitstudien. Kurzfristig gibt es zwar negative Folgen, zum Beispiel eine verkürzte Aufmerksamkeitsspanne und Mühe mit der Emotionsregulierung. Beides scheint aber wieder zu verschwinden, sobald man die Bildschirmzeit reduziert.
Das grösste Risiko sieht Entwicklungspsychologin Ebru Ger in der verpassten Zeit: «Je mehr Kinder solche Videos konsumieren, desto weniger Zeit bleibt für andere Aktivitäten übrig, die fundamental für die Entwicklung sind wie Spiel, mit sozialen Partnern interagieren, Sport oder Basteln.» Ger empfiehlt Eltern deshalb, die Bildschirmzeit zu limitieren und ihre Kinder bei der Mediennutzung zu begleiten.