Vier Jahre ist es her, seit die Taliban die Macht übernommen haben in Afghanistan. Seither haben die Repressionen zugenommen. Besonders für Frauen ist die Situation im Land schwieriger geworden. Vergangene Woche wurde bekanntgegeben, dass Bücher von weiblichen Uni-Gelehrten in Afghanistan verboten werden. Südasien-Korrespondentin Maren Peters gibt Einblick in die aktuelle Situation.
Welche Rechte haben die Taliban den Frauen genommen?
Mädchen dürfen nicht mehr zur Sekundarschule gehen, Frauen dürfen keine Ausbildung machen oder studieren und, bis auf wenige Ausnahmen, nicht mehr arbeiten. Sogar Lehrerinnen wurden nach Hause geschickt. In der Öffentlichkeit wurden Frauen zudem weitestgehend unsichtbar gemacht. Sie dürfen nur noch voll verhüllt aus dem Haus, keinen Sport mehr treiben und im Park nicht laut reden und singen. Frauen können kaum noch zum Familieneinkommen beitragen, obwohl das angesichts der wirtschaftlichen Not in Afghanistan bitter nötig wäre. Mehr Mädchen werden wegen des Schulverbots früh verheiratet und bekommen dann früher Kinder – die UNO warnt bereits, dass damit auch das Risiko von Kinder- und Müttersterblichkeit steigt, das in Afghanistan ohnehin sehr hoch ist.
Was steckt hinter dem gerade erlassenen Bücherbann der Taliban?
Die Taliban haben 140 Bücher verboten, die von Frauen geschrieben wurden. Und Studienfächer, die sich mit «Frauenthemen befassen», das heisst Ansichten, Ideen und Erklärungen von Frauen, sollen ebenfalls verbannt werden – mit der Begründung, dass sie gegen das Scharia-Recht verstiessen, also gegen religiöse und rechtliche Normen des Islam. Aber selbst völlig unverdächtige Titel wie «Sicherheit im Chemielabor» wurden durch den jüngsten Bann verboten. Viele Beobachtende sehen dies als Bestätigung, dass die moralischen Begründungen der radikal-islamischen Taliban nur vorgeschoben sind und dass die Mullahs, die Lenker der Taliban, tatsächlich vielmehr von Frauenhass getrieben werden.
Angeblich sei das Leben in Afghanistan seit der Machtübernahme der Taliban sicherer geworden. Stimmt das?
Das sagen vor allem die Taliban selbst. Es stimmt insofern, als es weniger Terroranschläge gibt. Das liegt aber vor allem daran, dass die Taliban selbst davor die meisten Terroranschläge verübt haben. Auf vielen Strassen sind immer noch die Sprenglöcher von damals zu sehen. Sicherheit bedeutet aber auch, dass man keine Angst haben muss – etwa davor, nachts von den Taliban abgeholt zu werden oder auf der Strasse willkürlich verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. Diese Sicherheit gibt es nicht, vor allem nicht für Frauen, Minderheiten oder Menschen, die für die Vorgängerregierung oder für die Sicherheitskräfte gearbeitet haben. Gemäss Amnesty gibt es auch keine unabhängigen Gerichte, die misshandelten Menschen zu ihrem Recht verhelfen könnten.
Wie stehen die Männer in Afghanistan zu den vielen Einschränkungen?
Das hängt von ihrem Hintergrund ab. Afghanistan war schon vor der erneuten Machtübernahme der Taliban ein sehr konservatives Land. Viele Väter haben ihre Töchter auch vorher nicht in die Schule geschickt, gerade auf dem Land. Es gibt natürlich auch progressivere Männer und Väter, doch viele von ihnen haben das Land inzwischen verlassen – auch um ihren Töchtern und Schwestern eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Wer sich in Afghanistan für Frauenrechte starkmacht, führt ein gefährliches Leben. Wer sich auflehnt und Frauen unterstützt, muss mit harten Konsequenzen rechnen.