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Kultur-Jahresrückblick 2022 Diese Kunstgeschichten aus dem Jahr 2022 bleiben haften

Eine Torte für Mona Lisa, viel Kritik für die Documenta und NFTs: von Aktionen mit Köpfchen – und Kunst, die Kopfzerbrechen macht.

Die Höhepunkte des Jahres

Stürmische Zeiten für Kunst und Klimaaktivismus: Alles begann im Mai, als ein Mann Mona Lisa eine Torte aufs Panzerglas klatschte und auf diese Weise dazu aufrief, das Klima zu schützen. Später klebten sich Klimaaktivisten in London an den Rahmen eines Gemäldes von Vincent van Gogh. Es folgten ähnliche Aktionen – auch in der Schweiz.

Die Kritik liess nicht lange auf sich warten. Die «FaZ» kalauerte etwa über die Aktivistinnen, welche Tomatensuppe auf van Goghs «Sonnenblumen» warfen: «Suppenkasper im Museum».

Ich hingegen freute mich über die Aktionen. Nicht nur wegen der dringenden Botschaft. Sondern auch, weil die Aktivisten dafür ausgerechnet Kunstwerke als Zielschiebe verwendeten – nicht etwa Diamanten oder teure Autos.

Für mich zeigte das, wie wirkungsvoll diese Bilder auch heute noch wahrgenommen werden. Alte Meisterwerke wurden plötzlich in einen aktuellen Kontext gehievt, bekamen dadurch einen direkten Bezug zur heutigen Welt.

Die Sorge um die Werke erschien mir unverhältnismässig. Die Bilder waren kaum in Gefahr, der Vorwurf eines «Bildersturms» war nicht haltbar. Bleibt zu hoffen, dass die Aussagekraft der Aktivistinnen vor lauter Ärger nicht unterging.

Ubuweb – eine virtuelle Wunderkammer wird 25: Dieses Jahr feierte das «Ubuweb» seinen 25. Geburtstag: Eine Art Youtube für Kunstnerds, voller seltener Filme, Bücher und Soundcollagen.

Zum Jubiläum dieser virtuellen Schatzkammer traf ich mich Anfang Jahr zu einem Videogespräch mit dem Gründer Kenneth Goldsmith, der mich begeisterte wie das Ubuweb selbst. Von seinem New Yorker Apartment aus (Sirenengeheul im Hintergrund) liess er verlauten: «Money: We don’t take it, we don’t pay it, we don’t touch it».

Das Ubuweb basiert auf Spendenbasis, lebt von freiwilligen Mitarbeitenden und vor allem von der Utopie eines freien Netzes, wie dieses ursprünglich ja auch angedacht war. Ein virtuell wahrgewordener Traum.

Die Überraschung des Jahres

Documenta: Alles ausser Kontrolle? An der Documenta 15 sollte dieses Mal alles anders werden: Statt eines einzelnen Kurators kümmerte sich das indonesische Kollektiv Ruangrupa um die Kunstschau. Dieses wiederum delegierte die kuratorische Verantwortung auch an zahlreiche andere Gruppierungen.

Das hatte zur Folge, dass diverse Facetten der Menschheit gezeigt wurden – auch die dunklen. Unter anderem waren Werke dabei, die als eindeutig antisemitisch eingestuft wurden.

Damit hatte man anscheinend nicht gerechnet. Es folgte eine hochpolitische Empörungswelle, die zwar nötig war, aber auch dafür sorgte, dass man über den Rest der Werke kaum mehr sprach.

Der Flop des Jahres

NFT – nichts für Traditionalisten: Ich habe im Laufe des Jahres immer wieder probiert herauszufinden, wie die sogenannten «Non-Fungible-Tokens» funktionieren und vor allem, warum sie so faszinieren. Dass ein «NFT» für ein digital geschütztes Objekt steht, habe ich begriffen. Auch, dass es für digitale Kunst einen Echtheits-Nachweis braucht.

Aber ich wurde den Verdacht nicht los, dass es sich dabei vor allem um ein marktwirtschaftliches Gadget handelt. Die «Bored Apes» (Bilder eines gelangweilten Comic-Affen) zumindest konnten mich nicht überzeugen.

Noch bis zum 15. Januar 2023 will eine Ausstellung in der Kunsthalle Zürich Schwerbegriffigen wie mir erklären, was den Reiz der NFTs ausmacht. Vielleicht werde ich dort eines Besseren belehrt.

Die Besten des Jahres – unser Kulturrückblick 2022

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SRF 1, Tagesschau, 26.12.2022, 19:30 Uhr

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