Die Shortlist für den diesjährigen Schweizer Buchpreis steht fest. Dieses Jahr hat es kein literarisches Debüt auf die Liste geschafft, dafür kehren gleich mehrere Autorinnen und Autoren zum wiederholten Mal auf die Shortlist zurück – und es gibt eine Überraschung.
Das sind die fünf nominierten Romane im Detail:
«Lázár» von Nelio Biedermann
«Lázár» erzählt die Geschichte einer ungarischen Adelsfamilie, die in den Wirren des 20. Jahrhunderts alles verliert: Geld, Schloss und Ansehen. Nelio Biedermann erzählt atmosphärisch und bildhaft – und äusserst erfolgreich. Schon vor Publikation des deutschsprachigen Originals war klar: Der Roman wird in 20 Ländern erscheinen. Eine Sensation für einen bislang noch unbekannten Schriftsteller.
«Die Holländerinnen» von Dorothee Elmiger
Dorothee Elmiger schaffte es mit jedem ihrer drei bisherigen Bücher auf die Buchpreis-Shortlist – jetzt auch mit dem vierten. In «Die Holländerinnen» schickt sie eine Theatertruppe in den Dschungel. Sie suchen nach Spuren eines mysteriösen, realen Vermisstenfalls. Im Urwald, der immer bedrohlicher erscheint, entspinnt sich ein Dickicht aus Binnenerzählungen. «Die Holländerinnen» ist auch für den Deutschen Buchpreis nominiert.
«Im Meer waren wir nie» von Meral Kureyshi
Meral Kureyshis namenlose Ich-Erzählerin zieht mit ihrer besten Freundin aus der Schulzeit deren Sohn auf. Gleichzeitig kümmert sie sich um Lili, die ins Altersheim gezogen ist. Sie leistet Care-Arbeit, und doch ist da auch so etwas wie Nähe zwischen den beiden. In einzelnen Szenen erzählt Kureyshi aus dem Alltag ihrer Protagonistin, von Beziehungen, die sich verändern, vom Altern und von Abschieden. Auch sie ist keine Unbekannte auf der Buchpreis-Shortlist: 2015 war sie bereits für ihr Debüt «Elefanten im Garten» nominiert. Der aktuelle Roman gewann einen Literaturpreis des Kantons Bern.
«Verzauberte Vorbestimmung» von Jonas Lüscher
Der Gewinner des Schweizer Buchpreises 2017 verwebt in seinem aktuellen Roman «Verzauberte Vorbestimmung» seine existenzielle Erfahrung als Covid-Patient im Koma, der nur dank modernster Technik überlebte, zu einem hochkomplexen Ganzen. Das Buch wurde im Feuilleton hochgelobt und ist ebenfalls für den Deutschen Buchpreis nominiert. Er wurde zudem kürzlich mit dem diesjährigen Wilhelm-Raabe-Literaturpreis ausgezeichnet.
«Grossmütter» von Melara Mvogdobo
Dieser Roman dürfte für viele die grosse Überraschung auf der Shortlist sein: Er wurde bei Erscheinen hierzulande kaum besprochen. Melara Mvogdobo erzählt von zwei Grossmüttern: einer, die in armen Verhältnissen in der Schweiz aufgewachsen ist, und einer aus einer wohlhabenden kamerunischen Familie. Beide sahen sich auf unterschiedliche Weise mit Unterdrückung und Entwürdigung konfrontiert.
Kein klarer Favorit
Einen eindeutigen Favoriten zu bestimmen, ist dieses Jahr schwer. Meral Kureyshi und Dorothee Elmiger standen schon früher auf Buchpreis-Shortlists. Sie haben mit ihren Romanen dieses Jahr beide gute Aussichten auf den Preis. Sollte Jonas Lüscher gewinnen, wäre das ein Novum: Er wäre der erste Autor, der den Schweizer Buchpreis zum zweiten Mal erhält.
Bei Nelio Biedermann und Melara Mvogdobo gestaltet sich die Prognose schwieriger, doch auch sie haben intakte Gewinnchancen. Es wird eine in vielerlei Hinsicht spannende Wahl.