Seit Mitte Oktober ein Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas in Kraft getreten ist, hat sich im Gazastreifen die Versorgung mit Hilfsgütern verbessert. Das berichten UNO-Beamte und regierungsunabhängige Organisationen (NGO). Auf einem international anerkannten Hunger-Monitor wird Gaza nicht mehr als Gebiet mit einer Hungersnot ausgewiesen.
Aber die Hilfslieferungen reichten nicht, um den Bedarf der Bevölkerung zu decken. Israel behindere weiterhin die Lieferung von Nahrungsmitteln und medizinischen Produkten. Gemäss den Hilfsorganisationen sind die Mangelernährung, die Verbreitung von Krankheiten und das Ausmass der landwirtschaftlichen Zerstörung noch immer alarmierend hoch.
Gemäss dem jüngsten Hunger-Monitor (vgl. Box) sind im Gazastreifen mindestens 1.6 Millionen Menschen oder 77 Prozent der Bevölkerung akuter Ernährungsunsicherheit ausgesetzt. 100'000 von ihnen sind Kinder und 37'000 schwangere und stillende Frauen.
Der Waffenstillstand, der am 10. Oktober in Kraft trat und der zwei Jahre Krieg zwischen der Hamas und Israel beendete, hatte vorgesehen, den Zustrom von Hilfsgütern nach Gaza erheblich zu steigern. Nach Angaben des UNO-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) werden aber Anträge für die Einfuhr verschiedener Arten von Hilfsgütern oft abgelehnt.
Hindernisse bleiben bestehen
«Es ist wichtig zu betonen, dass alle Fracht, die nach Gaza gelangt, (weiterhin) der Genehmigung durch die israelischen Behörden unterliegt», sagte OCHA-Sprecher Jens Laerke Anfang Dezember gegenüber Swissinfo, dem Online-Informationsdienst der SRG für die Schweizer Bevölkerung im Ausland. Laut OCHA erhielten im November nur 65 Prozent der Bevölkerung Gazas Nahrungsmittelhilfe.
Die israelische Militärbehörde, die Gazas Grenzübergänge kontrolliert, hat Behauptungen über vorsätzliche Hilfsbeschränkungen zurückgewiesen. Sie stimmten «nicht mit den Tatsachen vor Ort und der täglich stattfindenden laufenden Koordination» überein. Nach Angaben der Behörde gelangen täglich zwischen 600 und 800 Lastwagen mit humanitären Gütern nach Gaza.
Gemäss UNO-Organisationen überquerten aber in der ersten Dezemberwoche pro Tag nur durchschnittlich 140 Hilfskonvois die Grenze in den Gazastreifen. Ausserdem berichten Hilfsorganisationen, dass die meisten Güter, die nach Gaza gelassen werden, zum Verkauf auf Märkten landen und für den Grossteil der Bevölkerung zu teuer bleiben.
«Wir sehen immer noch, dass kommerzielle Lastwagen Vorrang haben vor humanitären Gütern», berichtet Franz Luef, Notfallkoordinator für Ärzte ohne Grenzen (MSF) im Gazastreifen.
Fürs ganze Leben geprägt
Die andauernde Mangelernährung dürfte langfristig Auswirkungen auf die Bevölkerung haben. Laut MSF kann unzureichende Ernährung zu schwerwiegenden medizinischen Komplikationen wie Infektionen und verzögerter Wundheilung führen. Oft seien deswegen sogar Amputationen notwendig.
Mangelernährung ist auch mit chronischen Krankheiten wie Diabetes und Bluthochdruck verbunden. MSF-Vertreter Luef: «Mangelernährung ist nicht nur ein kurzfristiger Notfall, sondern kann zu einem lebenslangen Kampf werden, besonders für Kinder.»