Ein Sturmtief bringt in Israel und den Palästinenser Gebieten viel Regen, starken Wind und Gewitter. Menschen berichten von Überflutungen im zerstörten Gazastreifen. Es sei wie eine Sintflut, sagt der Schriftsteller Akram Suran, der seit Kurzem wieder in seiner stark beschädigten Wohnung in Gaza-Stadt lebt. Ein Blick auf die Entwicklung im Krisengebiet mit Auslandredaktorin Susanne Brunner.
Wie sieht die aktuelle Lage im Gazastreifen aus?
Zurzeit fegt der Wintersturm «Byron» über die Region. Im Gazastreifen richtet dieser besonders viel Schaden an und macht das Leben der Bevölkerung nach zwei Jahren Krieg noch schwerer: Überschwemmungen und starke Winde reissen die Flüchtlingszelte um. Es gibt kaum Möglichkeiten, sich trocken zu halten. Auch die Infrastruktur ist komplett zerstört. Abwasser fliesst durch die Strassen, die Gefahr für Krankheiten steigt. Für die Nacht auf Freitag ist erneut Dauerregen angesagt. Das einzige Positive: Mit rund 17 Grad ist es für die Jahreszeit relativ mild.
Sie sind in regelmässigem Kontakt mit Schriftsteller Akram Surani in Gaza-Stadt. Was sagt er zum Ausmass der Regenfälle?
Als vor drei Wochen der erste Regensturm über die Region fegte, schickte er mir ein Video aus der Bauruine, wo die Familie jetzt lebt. Sie haben zwar ein einigermassen festes Dach über dem Kopf, doch alles ist nass und der Wind bläst durch die scheibenlosen Fenster. Das ist noch fast Luxus im Vergleich zum grössten Teil der Menschen, die bestenfalls in einem Zelt leben. Es sei wie während der Sintflut und noch schlimmer als im November, berichtete Surani Mitte Woche. Dazu kommt: Die Menschen haben kein Geld mehr. Obwohl seit Beginn der Waffenruhe mehr Hilfsgüter in den Gazastreifen gelangen, reicht es laut internationalen Hilfswerken bei Weitem nicht. Es fehlt an allem für diese Jahreszeit, besonders an warmer Kleidung, Zelten und Material, um beschädigte Häuser einigermassen wetterfest zu machen.
Was kann man zur Wohninfrastruktur allgemein sagen?
Die israelische Armee hat den Gazastreifen in den letzten zwei Jahren praktisch dem Erdboden gleichgemacht. Die UNO schätzt, dass rund 90 Prozent aller Wohnungen und Häuser zerstört oder beschädigt wurden. Rund zwei Millionen Menschen leben bestenfalls in Zelten oder in zerstörten Gebäuden, viele haben gar kein Obdach. Um so viele Obdachlose zu versorgen, wären Hilfswerke auch in jedem anderen Kriegsgebiet gefordert. Im Gazasteifen kommt erschwerend hinzu, dass die Grenzen nicht offen sind. Diese kontrolliert Israel.
Warum hat sich die Lage nicht verbessert?
Die humanitäre Katastrophe ist schlicht zu gross, um in zwei Monaten spürbar verbessert werden zu können. Zugleich sind Israel und die Hamas immer noch in der ersten Phase einer sehr fragilen Waffenruhe. Diese sieht vor, dass die Hamas und auch die bewaffnete Gruppierung «Islamischer Dschihad» zuerst alle Geiseln an Israel zurückgeben, die am 7. Oktober 2023 verschleppt wurden. Noch immer fehlt die Leiche einer israelischen Geisel. Bis diese nicht in Israel ist, wird die zweite Phase der Waffenruhe nicht beginnen. Diese sieht die Entwaffnung der Hamas vor. Die Hamas will die Waffen nicht abgeben und Israels Regierung wird keinen Wiederaufbau erlauben, solange die Hamas Macht und Waffen im Gazastreifen hat. Wie es mit dem «Friedensplan» von US-Präsident Trump weitergehen soll, ist noch völlig unklar. Die Lage der Zivilbevölkerung wird sich in absehbarer Zukunft nicht verbessern.