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Angriffe auf Saudi-Ölanlagen Die Kriegstreiber profitieren von der Eskalation

Egal, wer die Angriffe auf die Saudis verantwortet – leiden werde sein Land, ist der jemenitische Politologe und Analyst Farea al Muslimi überzeugt.

Was auch immer die genauen Hintergründe der spektakulären Luftangriffe auf saudische Ölanlagen waren: Für Farea al Muslimi sind zwei Dinge klar: «Als der Jemenkrieg begann, hatten die Huthis keine Drohnen. Nach bald fünf Jahren Krieg haben sie Drohnen, sogar solche, die tausend Kilometer entfernte Ziele erreichen können, zum Beispiel tief in Saudiarabien.» Und zweitens schüre das, was sich am letzten Samstag in Saudi-Arabien ereignete hat, die Spannungen in der Region nur noch weiter.

Farea al Muslimi

Jemenitischer Politologe und Analyst

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Farea al Muslimi ist führender Kopf des Sanaa Centers for Strategic Studies, eines renommierten jemenitischen Thinktanks. Das Center hat sich zum Ziel gesetzt, den Regierungen und Forschungseinrichtungen in der Welt möglichst verlässliche Informationen und Analysen über den Konflikt in Jemen zu bieten – jenseits der Kriegspropaganda beider Seiten.

Der Jemenite Muslimi befürchtet, den Preis werde auch diesmal in erster Linie sein Land zu bezahlen haben. Wer immer glaube, seine Muskeln spielen lassen zu müssen, könne das in Jemen am einfachsten tun.

«Hier ist bereits ein aktiver Kriegsschauplatz. Schon jetzt wird der interne Konflikt in Jemen von einem regionalen Stellvertreterkrieg überlappt. Und diese regionale Dimension wurde mit den Attacken vom letzten Wochenende auf eine neue Eskalationsstufe gehoben», so der Analytiker.

Seit bald fünf Jahren Krieg in Jemen

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Saudi-Arabien begann den Jemenkrieg vor bald fünf Jahren, nachdem die Huthis aus dem Norden Jemens die Macht in der Hauptstadt Sanaa übernommen hatten und zum Sturm aufs halbe Land ansetzten. Mohammed bin Salman, der ungestüme saudische Kronprinz, trommelte Anfang 2015 eine Militärkoalition zusammen. Gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten zog er gegen die Huthirebellen in den Luftkrieg.

«Die Saudis dachten bei Kriegsbeginn, das werde ein leichtes Spiel: Zwei der reichsten Länder der Welt, unterstützt von den mächtigsten Ländern der Welt, gegen eines der ärmsten Länder der Welt – Jemen», so Muslimi. Doch bald fünf Jahre später steckten die Saudis in Jemen in der Falle.

Saudische Anti-Huthi-Allianz bricht auseinander

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Die Saudis seien gefangen in den Widersprüchen ihrer eigenen Anti-Huthi-Allianz, ist Muslimi überzeugt. Ein Beweis dafür sei, dass im Süden des Landes die Allianz am auseinanderbrechen sei. Mit den Vereinigten Arabischen Emiraten verbündete Kampfgruppen hätten in der Hafenstadt Aden einen Coup gegen ihren eigentlichen Verbündeten – die Exilregierung, die von den Saudis unterstützt wird – begangen. «Damit fällt auch die völkerrechtliche Maske für die saudische Intervention in Jemen», sagt Muslimi. Denn das Argument für diesen Krieg war, den jemenitischen Präsidenten wieder an die Macht zu bringen. Nicht, das Land zu spalten.

Trotzdem ist kein Ende des Krieges in Sicht: «Gerade in dieser Region gibt es immer noch Leute, die glauben, Kriege könnten eine Lösung sein. Und es gibt auch Leute, die sich vom Chaos Nutzen versprechen», betont Muslimi.

Dabei geht er nicht nur mit den Saudis scharf ins Gericht, sondern auch mit den Huthis. Diese geben vor, das jemenitische Volk zu vertreten und ihre Legitimation aus einer Revolution gegen eine zutiefst korrupte politische Elite zu beziehen.

Die Huthi arbeiten bloss zu ihrem eigenen Nutzen.

Doch die schiitischen Huthis seien zur Mafia verkommen, die durch geografische, konfessionelle, ideologische und Stammeselemente geprägt sei, sagt Muslimi. «Sie arbeiten nicht fürs Gemeinwohl, sondern für den Eigennutz.»

Ernsthafter politischer Prozess notwendig

Und wie könnte ein Ausweg aus der verfahrenen Situation aussehen? «Die Saudis und die Exilregierung Hadi sagen, man kann nicht mit den Huthis reden. Doch das ist nur die Entschuldigung jener, die wollen, dass der Krieg weitergeht», so Muslimi.

Das Gegenteil sei der Fall: Auf dem Schlachtfeld seien die Stammeskämpfer nicht zu bezwingen. Doch in einem politischen Prozess könnte man den Huthis sehr wohl Konzessionen abringen. Voraussetzung wäre, dass es dafür einen ernsthaften politischen Willen gebe.

Doch Jemen schickt keine Flüchtlingsströme nach Europa und hat wirtschaftlich kein Gewicht. Entsprechend gering war bisher das internationale Engagement für eine Konfliktlösung – trotz aller Lippenbekenntnisse. Die Eskalation der letzten Tage lässt wenig Hoffnung aufkommen, dass sich das bald ändern könnte.

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