Das griechische Parlament hat erstmals wieder ein eigenes Budget beschlossen. Zugleich werden fürs kommenden Jahr 2,5 Prozent Wirtschaftswachstum und ein Rückgang der Arbeitslosigkeit um zwei Prozentpunkte auf noch knapp 17 Prozent prognostiziert. Erst kürzlich hat das Land den Rettungsschirm der internationalen Geldgeber verlassen.
SRF News: Sind diese Prognosen für Griechenland nicht ein wenig gar zu optimistisch?
Corinna Jessen: Von diesem Optimismus ist im Alltag der Griechen jedenfalls nichts zu spüren. Wer Arbeit hat, ist meist in einer prekären Lage mit einem Monatslohn von umgerechnet vielleicht 450 bis 730 Franken. Hunderttausende gut ausgebildeter Griechen sind ins Ausland gegangen, was die Arbeitslosigkeit ebenfalls sinken lässt. Wegen der gestiegenen Staatseinnahmen fehlt es den Menschen am Nötigsten. Die sehr hohe Steuerbelastung schnürt dem Geldfluss in der Realwirtschaft die Luft ab.
Kritiker werfen der Regierung Tsipras Schönfärberei und Propaganda vor. Was ist da dran?
Schönfärberei ist vor allem der von der Regierung so gepriesene immense Primärüberschuss, also der Haushaltsüberschuss des zu Ende gehenden Jahres vor den Schuldendiensten. Dieser ist mit 7,6 Milliarden Euro fast doppelt so hoch wie die Kreditgeber vorgegeben hatten.
Doch den Überschuss erzielt die Regierung, indem sie 2,5 Milliarden Euro an Schulden des Staates gegenüber Privatgläubigern etwa in Form von Mehrwertsteuerrückzahlungen einfach zurückhält. Dieses Geld fehlt auf dem Markt. Zugleich ist das öffentliche Investitionsprogramm als einer der wichtigsten Motoren der Wirtschaft um 1,5 Milliarden Euro gekürzt worden.
Der Budget-Entwurf hatte den Segen der EU. Hat Griechenland aus Sicht von Brüssel also genug gespart?
Die EU ist nun erst einmal zufrieden, weil die Zahlen stimmen. Das tun sie zurzeit auch mit dem immensen Primärüberschuss. Da interessiert sich Brüssel jetzt wahrscheinlich zuerst einmal weniger, wie es den Menschen geht. Allerdings sind mit der EU auch für die kommenden Jahre immens hohe Primärübschüsse von 3,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts vereinbart worden. Daran sind weitere Schuldenerleichterungen geknüpft. Experten halten das für viel zu ehrgeizig.
Alle möchten die Erfolgsstory der Griechenland-Rettung erzählen.
Aber momentan decken sich die Interessen ausgerechnet von Premierminister Alexis Tsipras und den einst so verhassten Brüsseler Kreditgebern vollkommen. Alle möchten nämlich Ruhe einkehren lassen und die Erfolgsstory der Griechenland-Rettung erzählen.
Das Gespräch führte Hans Ineichen.