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Aufschrei der Unterdrückten In Iran vermischt sich die Wut der Frauen und der Kurden

Vereint im Protest: Die kurdische Parole «Frauen, Leben, Freiheit» findet Widerhall auf den Strassen Teherans.

Seit dem Tod der Studentin Mahsa Amini gibt es in Iran Proteste. Tausende Menschen demonstrieren gegen die Regierung – und auch gegen das islamische System.

Ein Schlaglicht werfen die Proteste auch auf die schwierige Beziehung des Regimes zur kurdischen Minderheit. Denn die junge Frau hatte kurdische Wurzeln.

Darum gehen die Menschen auf die Strasse

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Brennende Barrikade in Teheran, Mitte September.
Legende: Brennende Barrikade in Teheran, Mitte September. Keystone/AP

Auslöser der derzeitigen Proteste war der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini, deren kurdischer Name «Gina» war. Sie war Mitte September von der Sittenpolizei wegen ihres «unislamischen Outfits» festgenommen worden. Was genau mit Amini nach ihrer Festnahme geschah, ist unklar, jedenfalls fiel sie ins Koma und starb in einem Spital. Kritiker werfen der Moralpolizei vor, Gewalt angewendet zu haben. Die Polizei weist die Vorwürfe zurück.

Mahsa Amini war mit ihrer Familie von Kurdistan nach Teheran gekommen. Dort wurde sie von der Sittenpolizei aufgegriffen, weil sie das Kopftuch nicht vorschriftsmässig getragen haben soll.

«Bis zu diesem Punkt hat es wohl keine Rolle gespielt, dass sie Kurdin ist», glaubt ARD-Korrespondentin Karin Senz. Sie verfolgt die Geschehnisse aus Istanbul.

Protest in der Türkei
Legende: Fraglich ist für Senz, ob die Sittenpolizei Amini direkt als Kurdin identifizierte. Denn an Sprache oder Kleidung lässt sich dies nicht immer erkennen. Keystone/EPA/Sedat Suna

Dass das Ganze ein kurdisches Element bekommen könnte, wurde für die deutsche Journalistin an Aminis Beerdigung am Tag nach ihrem Tod offenbar. «Die Anteilnahme der kurdischen Minderheit in Iran war sehr, sehr gross.»

In Iran stellen die Kurden etwa zehn Prozent der Bevölkerung. Sie leben meist in den westlichen Provinzen des Landes. Derzeit ist es schwierig, an belastbare Informationen aus dem Land zu kommen, da das Regime das Internet lahmgelegt hat.

Die Kurden – ein heterogenes Volk

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Kämpferinnen der Kurdenmiliz YPG während des Kriegs in Syrien (2015)
Legende: Kämpferinnen der Kurdenmiliz YPG während des Kriegs in Syrien (2015). Ihre Partei gilt als syrische Fraktion der in der Türkei verbotenen PKK. Keystone/EPA/Sedat Suna

Wie eng die länderübergreifende Vernetzung der Kurden ist, ist schwierig zu beurteilen. Sie bilden in der Türkei, Syrien, im Irak und Iran Minderheiten. Gleichzeitig gibt es unter ihnen sprachliche, historische, politische und religiöse Unterschiede.

«In Iran sind zum Beispiel die meisten Kurden Sunniten, und das in einem schiitischen Land», erklärt die Korrespondentin. «Die engsten Bande über die Grenzen hinweg herrschen nicht zwischen Iran und Irak, sondern zwischen den Kurden in Syrien und der Türkei.»

Die Menschenrechtsorganisation Hengaw allerdings ist in den kurdischen Regionen bestens vernetzt und sehr aktiv. «Sie schafft es auch, Informationen aus dem Land herauszubekommen», sagt Senz. Hengaw berichtet von heftigen Protesten im iranischen Kurdistan. Laut Hengaw kamen dabei bislang 23 Menschen ums Leben, weit über 1000 wurden verletzt.

Angriff auf Kurden im Nordirak

Das Regime versucht, die Proteste zu unterbinden. Doch sie greift nicht nur dort hart durch. Letzte Woche hat Iran kurdische Einrichtungen im Nachbarland Irak mit Raketen und Drohnen angegriffen. Mindestens 13 Menschen kamen dabei ums Leben.

«Die Angriffe galten unterschiedlichen kurdischen Gruppen, die sich auch nicht immer grün sind», weiss Senz. Ein Alarmsignal für Teheran könnte gewesen sein, dass der irakische Kurdenführer Masud Barzani mit Aminis Familie telefoniert hatte.

Beim Regime machten sich offenbar Ängste breit: Nämlich, dass die Unterstützung aus dem Nordirak die kurdische Separatistenbewegung im eigenen Land befeuern könnte. «Also hat Iran, wie Experten sagen, einen Warnschuss an die Kurden im Nordirak abgegeben», berichtet Senz. «Die Botschaft: Kommt bloss nicht auf die Idee, das zu eurer Sache zu machen!»

Schon der Schah unterdrückte und erstickte die kurdische Separatistenbewegung.
Autor: Karin Senz ARD-Korrespondentin in Istanbul

Im Vielvölkerstaat Iran gab es schon vor der islamischen Revolution Spannungen zwischen den Kurden und Teheran. Bereits der Schah unterdrückte – und erstickte – die kurdische Separatistenbewegung. Nach seiner Machtübernahme 1979 warnte auch Ayatollah Khomeini die Kurden vor jeglichem Aufmucken.

Kurdische Frauen im iranischen Kurdistan (2011).
Legende: Bis heute wird die kurdische Sprache an Schulen nicht unterrichtet. Im Pass dürfen keine kurdischen, sondern nur persische Namen stehen. Im Bild: Kurdische Frauen im iranischen Kurdistan (2011). Reuters/Morteza Nikoubazl

Die deutsche «Zeit» sieht im Tod von Mahsa Amini nicht nur ein Symbol für die Unterdrückung der Frauen, sondern auch für die Unterwerfung des kurdischen Volkes. Senz drückt es so aus: In den landesweiten Protesten lasse sich auch eine Solidarität unter «den Menschen zweiter Klasse» in Iran feststellen, nämlich der Frauen und der Kurden.

Sinnbild davon: Die ursprünglich kurdische Parole «Frau, Leben und Freiheit» hat sich bei Demonstrationen im ganzen Land etabliert. Die jahrzehntelang angestaute Wut der Kurden vermischt sich also mit derjenigen der Frauen – und wird zum Aufschrei der Unterdrückten in Iran.

SRF 4 News, 04.10.2022, 8:20 Uhr ; 

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