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Bewegung in Belfast Nordirland könnte bald wieder eine Regierung haben

Die pro-britischen Unionisten zeigen sich grundsätzlich bereit zur Zusammenarbeit mit Sinn Fein. London macht ihnen offenbar Zugeständnisse.

Nach zwei Jahren politischer Krise könnte Nordirland wieder eine funktionierende Regierung bekommen: Die unionistische Protestanten-Partei DUP kündigte an, grundsätzlich wieder in die Regierung zurückkehren zu wollen.

Seit zwei Jahren keine Regierung

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Seit bald zwei Jahren lehnt die wichtigste Kraft des protestantisch-unionistischen Lagers eine Regierungsbildung mit der katholischen Sinn Fein ab. Diese tritt für eine Wiedervereinigung mit dem EU-Mitglied Irland ein.

Voraussetzung dafür sei, dass Zusagen der britischen Regierung, die London in gemeinsamen Gesprächen gemacht habe, tatsächlich umgesetzt würden, sagte DUP-Parteichef Jeffrey Donaldson.

Vorschläge bald im Parlament

Noch nicht bekannt ist der Inhalt der Zusagen aus London – die Regierung von Rishi Sunak will sie am Mittwoch dem britischen Parlament präsentieren.

Bislang weiss man lediglich, dass umgerechnet 3.5 Milliarden Franken nach Belfast fliessen sollen. Damit sollen unter anderem die Löhne der Angestellten im öffentlichen Dienst Nordirlands erhöht werden, nachdem die Region letzte Woche eine historische Streikwelle erlebt hatte.

Entweder ritzt London nun das Abkommen mit der EU – oder die Zugeständnisse gegenüber den Unionisten sind eher kosmetischer Art.
Autor: Patrik Wülser SRF-Korrespondent in London

Daneben soll die Warengrenze zwischen Grossbritannien und Nordirland, wie sie seit dem Brexit besteht, noch poröser werden. Es sollen also weniger Kontrollen durchgeführt werden.

London will zudem künftig neue EU-Regeln etwa im Lebensmittelbereich noch genauer prüfen, bevor sie in britisches Recht übernommen werden, heisst es.

Wird das Abkommen mit der EU eingehalten?

Da stellt sich die Frage, inwieweit das Warenkontroll-Abkommen mit der EU beeinträchtigt werden könnte. Sicher ist: Mit dem Windsor-Abkommen ist die EU der Regierung in London im Februar 2023 schon sehr weit entgegengekommen, was Warenkontrollen betrifft.

Jeffrey Donaldson mit Brille spricht in Mikrofone.
Legende: DUP-Chef Jeffrey Donaldson will sich nicht mehr gegen eine Regierungsbeteiligung sperren – falls die mit London ausgehandelten Zusagen umgesetzt werden. Keystone/Peter Morrison

«Entweder ritzt London nun dieses Abkommen – und stösst Brüssel vor den Kopf – oder die Zugeständnisse gegenüber den Unionisten sind eher kosmetischer Art und haben lediglich sedierende Wirkung», sagt SRF-Grossbritannien-Korrespondent Patrik Wülser in London.

Die stärkste politische Kraft in Nordirland, der katholische Sinn Fein, jedenfalls begrüsst die mögliche Rückkehr der Unionisten in Regierung und Parlament. Dagegen scheinen die eigenen Unionisten-Leute mit der Entwicklung zu hadern. So kam es in der Nacht auf Dienstag bereits zu Protesten von DUP-Anhängern.

Die möglichen Gründe für das Einlenken

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Zu den möglichen Beweggründen der DUP zur Zusammenarbeit in Regierung und Parlament sagt SRF-Grossbritannien-Korrespondent Patrik Wülser: «Nordirland funktionierte in den vergangenen zwei Jahren gewissermassen im Modus eines Autopiloten, das Parlament war eingemottet. Die Region wurde in dieser Zeit von Verwaltungsangestellten administriert, es konnten keine Gesetze verabschiedet werden. Auch gab es kein Budget – etwa für das Gesundheitswesen oder Lohnerhöhungen. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung nahm immer mehr zu – und London drohte, am 8. Februar Neuwahlen auszurufen. Vielleicht realisierten die DUP und die Unionisten, dass ihnen die Sympathien verloren gehen, wenn sie die Bevölkerung weiterhin in Geiselhaft hält. Zudem signalisierte London Entgegenkommen für die Sorgen der probritischen Unionisten.»

Nordirland gehört zu Grossbritannien. Die nördliche Region auf der irischen Insel hat einen langen Bürgerkrieg hinter sich, in dem überwiegend katholische Befürworter einer Vereinigung Nordirlands mit der Republik Irland gegen meist protestantische Anhänger der Union mit Grossbritannien kämpften.

Karfreitagsabkommen schreibt Machtteilung vor

Der britische Landesteil hat seit bald zwei Jahren keine funktionierende Regierung mehr. Die katholische Sinn Fein war bei der jüngsten Parlamentswahl im Mai 2022 erstmals stärkste Kraft geworden. Der Partei steht deshalb das Amt des «First Minister» zu. Die protestantische DUP würde den gleichberechtigten Posten des Vize-Regierungschefs übernehmen.

Das Karfreitagsabkommen, das 1998 den Bürgerkrieg in Nordirland beendete, schreibt vor, dass die grössten Parteien der beiden konfessionellen Lager eine Einheitsregierung bilden müssen.

Rendez-vous, 30.1.2024, 12:30 Uhr ; 

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