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Bolivien an einem Wendepunkt? «Die Preise sind bis zu 300 Prozent gestiegen»

Wie geht es weiter in Bolivien? Nach dem erzwungenen Rücktritt des langjährigen Staatspräsidenten Evo Morales und dem Ultimatum an seine selbsternannte Nachfolgerin Jeanine Añez ist die Situation verfahren. Die Zivilbevölkerung wünscht sich eine Rückkehr zum Alltag, wie die Journalistin Katharina Wojczenko berichtet.

Katharina Wojczenko

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Katharina Wojczenko arbeitet als freie Journalistin in Mittel- und Südamerika. Sie lebt in Bogota, Kolumbien.

SRF News: Wie ist die Stimmung in Bolivien kurz vor Ablauf des Ultimatums an die Übergangspräsidentin?

Katharina Wojczenko: Bei den meisten Menschen ist eine grosse Sehnsucht nach Rückkehr zu Frieden und Stabilität zu spüren. In der Nachbarstadt von La Paz, in El Alto, sind immer noch sehr viele Strassen blockiert. Viele Menschen fordern, dass die Übergangspräsidentin möglichst bald zurücktreten muss.

Bolivien in Aufruhr

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Ende Oktober fanden in Bolivien Wahlen statt. Die Wahlkommission erklärte den bisherige Präsident Evo Morales zum Sieger. Die Opposition spricht allerding von massiver Wahlmanipulation. Der Druck auf Morales, noch einmal wählen zu lassen, wuchs ständig, auch aus dem Ausland. Schliesslich trat der erste indigene Staatschef zurück und ersuchte um Asyl in Mexiko.

Danach ernannte sich die Senatorin und Oppositionspolitikerin Jeanine Añez zur Interimspräsidentin. Die Kokabauern aus dem Osten Boliviens – Anhänger von Morales – fordern, dass sie abgesetzt wird, nachdem ihnen staatliche Sicherheitskräfte gewaltsam den Weg in die Hauptstadt versperrt und neun Demonstranten getötet hatten. Insgesamt sind bei den Unruhen in Bolivien bereits 19 Personen ums Leben gekommen, mindestens 115 wurden verletzt.

Die Anhänger von Ex-Präsident Morales drohen mit mehr Strassensperren , wenn die Übergangspräsidentin nicht zurücktritt. Wirkt dieses Druckmittel noch?

Ich habe mit einem der Anführer der Cocaleros, der Cocabauern, gesprochen. Sie haben dieses Ultimatum miteinberufen. Sie drohen nicht mehr mit Strassensperren, denn 90 Prozent der Strassen seien schon blockiert. Ich halte das für übertrieben.

Wenn auf diesen Aufruf hin kein Rücktritt der Präsidentin erfolge, würden sie sich nochmals zusammensetzen und sich etwas anderes überlegen. Aber auf keinen Fall wollen sie Gewalt ausüben. Die Regierung hat sich am Montag auch überlegt, wie sie Blockaden künftig umgehen könnte.

Strassensperren bedeuten, dass insbesondere Lebensmittel und Treibstoff knapp werden. Wie reagieren die Menschen darauf?

Sie versuchen zu improvisieren. Gerade was Gemüse, Fleisch und vor allem Hühnchen betrifft, sind die Regale in den Läden leer. Die Preise sind zum Teil bis 300 Prozent in einer Woche explodiert. Die Ärmeren trifft es sehr, weil sie nicht ausweichen können. Indigene Frauen sagten mir, dass sie Hunger leiden.

An mehreren Punkten in der Stadt wurden Hühnchen verteilt und zwar zu einem Preis, der deutlich unter dem liegt, der zurzeit verlangt wird.

Gibt es Hilfe von der Regierung oder von den Behörden?

Ja, zumindest in der Stadt La Paz gab es Montag eine Aktion von der vom Rathaus. An mehreren Punkten in der Stadt wurden Hühnchen verteilt und zwar zu einem Preis, der deutlich unter dem liegt, der zurzeit hier verlangt wird. Die Behörden haben Mitarbeiter geschickt, um die Preise zu kontrollieren. Sie sollen überall an den Märkten und auch in den Supermärkten kontrollieren, und wer die Preise zu sehr anhebt, wird bestraft.

Die Frist , die Anhänger von Morales der Interimspräsidentin gesetzt haben, läuft aus. Wie blicken die Leute in Bolivien auf diesen Tag?

Für sie ist wichtiger, was an dem Tag im Parlament passiert. Es fragt sich, ob die Partei von Morales Anhängern wirklich erscheint und was für eine Debatte stattfindet und ob sich dadurch die Sache mit dem Ultimatum aufheben lässt. Die Leute, die dieses ganzen Konflikts müde sind, hoffen einfach, dass es besser wird.

Das Gespräch führte Eliane Leiser.

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