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Corona im Nahen Osten «In Nahost werden sogar die Impfungen instrumentalisiert»

Überall ist Corona-Impfstoff knapp, vor allem aber in den ärmeren Ländern. So auch in den von Israel besetzten Palästinensergebieten. Dort sind Zehntausende, eigentlich versprochene Impfdosen der Covax-Initiative immer noch nicht angekommen, wie SRF-Korrespondentin Susanne Brunner berichtet.

Susanne Brunner

Leiterin Auslandredaktion

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Susanne Brunner war für SRF zwischen 2018 und 2022 als Korrespondentin im Nahen Osten tätig. Sie wuchs in Kanada, Schottland, Deutschland und in der Schweiz auf. In Ottawa studierte sie Journalismus. Bei Radio SRF war sie zuerst Redaktorin und Moderatorin bei SRF 3. Dann ging sie als Korrespondentin nach San Francisco und war nach ihrer Rückkehr Korrespondentin in der Westschweiz. Sie moderierte auch das «Tagesgespräch» von Radio SRF 1. Seit September 2022 ist sie Leiterin der Auslandredaktion von Radio SRF.

Hier finden Sie weitere Artikel von Susanne Brunner und Informationen zu ihrer Person.

SRF News: Weshalb kommt es bei den Impfstofflieferungen in Nahost zu Verzögerungen?

Susanne Brunner: Laut der palästinensischen Gesundheitsministerin hat Covax von den bis Ende März versprochenen knapp 290'000 Impfdosen bislang noch keine einzige geliefert. Auf Nachfrage bei der Gavi-Allianz in Genf – über sie läuft das Covax-Impfprogramm – heisst es, es stimme nicht, dass Covax seine Versprechen nicht einhalte.

Offenbar erfüllen die Palästinensergebiete die Covax-Bedingungen noch nicht.

Um Impfdosen zu erhalten, müssen die Länder gewisse Bedingungen erfüllen, wie etwa einen genauen Impfplan vorlegen. Offenbar erfüllen die Palästinensergebiete die Covax-Bedingungen also noch nicht. Ob es an mangelnden Geldmitteln für eine Impfkampagne oder möglicherweise an der Ineffizienz und Korruption der palästinensischen Behörden liegt, ist aber unklar.

Die Kontroverse um den Impfstoff von Astra-Zeneca macht auch Covax zu schaffen – ist das ebenfalls ein Grund für die Verzögerungen bei den Impfstofflieferungen der internationalen Impfallianz?

Nein. Laut Gavi wird Astra-Zeneca weiterhin ausgeliefert, denn die WHO hat bislang keinen Zusammenhang zwischen dem Impfstoff und schweren Nebenwirkungen festgestellt. Dabei bleibe die Sicherheit aber oberstes Gebot, heisst es von Gavi. Jordanien etwa hat vor wenigen Tagen mit der Verimpfung des Astra-Zenecas-Vakzins begonnen. Die Diskussion um den Impfstoff in Europa trägt hier im Nahen Osten allerdings zur verbreiteten Impfskepsis bei. Die Leute sagen: «Die Dritte Welt kriegt gespritzt, was für die im Westen zu gefährlich ist.»

Weshalb ist die Impfskepsis so gross?

Die Menschen haben grundsätzlich wenig Vertrauen in ihre Regierungen. Sie werfen diesen vor, alles zu beschönigen, ja sogar zu lügen. Deshalb müssen die Behörden viel Aufwand betreiben, um das Vertrauen der Menschen zu gewinnen. Das geht nur, wenn sie sich ernsthaft um die Bevölkerung kümmern – statt bloss um sich selbst.

Schwierige Umsetzung der Massnahmen

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Legende: Reuters

«Kaum jemand hält sich hier an die Maskenpflicht oder die Abstandsregeln», sagt Susanne Brunner. Sie lebt in der jordanischen Hauptstadt Amman. Und wenn die Leute mal eine Maske tragen würden, so sei das unter dem Kinn – und das trotz der Androhung von happigen Bussen. Die Menschen hätten andere, existenziellere Probleme. Zudem seien Umarmungen und Küsse zur Begrüssung oder Verabschiedung sozialer Kitt. «Und das Soziale geht hier über alles», so die Korrespondentin.

Ist für die Palästinenser keine Hilfe von «Impfweltmeister» Israel zu erwarten?

Es ist umstritten, ob Israel allein zuständig ist für die Gesundheitsanliegen der Palästinenser – was letztere monieren. Doch laut den Oslo-Friedensverträgen ist die Palästinenserbehörde zuständig. Sie müsste also Impfdosen bestellen und allenfalls Israel in der Not um Hilfe bitten. Doch das ist laut den israelischen Behörden nicht passiert.

Die Palästinenser erhalten 5000 Impfdosen von Israel.

Für einen Aufschrei der Empörung sorgte zudem kürzlich der Plan von Israels Premier Benjamin Netanjahu, Zehntausende überflüssige Impfdosen ins Ausland zu verkaufen, zum Beispiel nach Südamerika – statt sie an die Palästinenser zu liefern. Immerhin: Jetzt sollen die Palästinenser 5000 dieser überschüssigen Impfdosen erhalten. Und: Jene Palästinenser, die in Israel arbeiten, werden jetzt ebenfalls geimpft.

Schwierige Corona-Situation

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Laut den palästinensischen Behörden ist die Corona-Situation in den Palästinensergebieten sehr ernst. Teilweise seien Spitäler zu mehr als 100 Prozent belegt, regional wurden Lockdowns verhängt – wie etwa in der Stadt Nablus (Bild). Bislang starben in den Palästinensergebieten rund 2500 Menschen an Covid-19, trotzdem ist die Impfskepsis sehr gross. Bislang wurden lediglich wenige Impfdosen des russischen Impfstoffs Sputnik verimpft, vor allem an Gesundheitsangestellte. (subru)

Lässt sich die Impffrage also nicht von der Machtfrage entkoppeln?

Im Nahen Osten ist alles politisch, auch die Impfungen werden von allen Seiten politisch instrumentalisiert und ausgeschlachtet. Das untergräbt das Vertrauen der Menschen in die Regierungen weiter. In der jahrzehntealten tragischen Geschichte nicht eingehaltener Versprechen, zerstörter Hoffnungen und viel Leid ist der Streit um die Impfdosen bloss ein weiteres Kapitel.

Das Gespräch führte Roger Aebli.

SRF 4 News vom 17.3.2021, 07.20 Uhr ; 

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