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Henriette Engbersen: «Es tobt ein Machtkampf»
Aus Tagesschau am Vorabend vom 29.08.2019.
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Der Coup von Boris Johnson «Das war ein Überraschungsangriff»

Auch am Tag danach bewegt der Entscheid des britischen Premierministers Boris Johnson die Gemüter. In der Presse und auf der Strasse wird die Zwangspause des Parlaments kontrovers diskutiert. SRF-Grossbritannien-Korrespondentin Henriette Engbersen erklärt, wie sich das Hohe Haus wehren kann und wie die Stimmung im der Bevölkerung ist.

Henriette Engbersen

Henriette Engbersen

Grossbritannien-Korrespondentin, SRF

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Engbersen ist seit Frühling 2017 Grossbritannien-Korrespondentin von SRF. Sie ist seit 2008 für das Schweizer Fernsehen tätig, zuerst als Ostschweiz-Korrespondentin und später als Redaktorin der «Tagesschau».

SRF News: Hat Sie Boris Johnsons Coup überrascht?

Henriette Engbersen: Die Idee nicht. Seit Wochen stand die Frage im Raum, ob er das Parlament in die Zwangspause schickt. Dass er dies aber noch vor Ende der Sommerpause des Parlaments getan hat, das hat – nicht nur mich – wirklich überrascht.

Damit hat er wohl alle auf dem linken Fuss erwischt.

Ja, es war ein Überraschungsangriff.

Typisch Boris Johnson?

Johnson ist noch zu wenig lange Premier, um das beurteilen zu können. Was sicher zu ihm passt ist, dass er schon bei Amtsantritt mit der Auswahl der Regierungsmitglieder gezeigt hat, dass er bereit ist, aufs Ganze zu gehen und unübliche Schritte zu unternehmen, um seine Ziele zu verfolgen.

Was im Moment passiert, kann zu Recht als Verfassungskrise bezeichnet werden.

Sie sagen unübliche Schritte, es sind auch unpopuläre. Viele Briten sind irritiert, protestieren. Eine Online-Petition wurde bereits von eineinhalb Millionen Menschen unterzeichnet.

Es gibt aber auch viele in der Bevölkerung, die Johnson recht geben. Nämlich jene die einen No-Deal-Brexit bevorzugen und im Parlament den grössten Gegner dafür sehen. Aus ihrer Sicht hat das Parlament bisher nicht dafür eingesetzt, wofür das Volk in der Brexit-Abstimmung votierte. Diese Leute finden das, was Boris Johnson nun gemacht hat gut und populär.

Hand, die Handy hält. Darauf sieht man die Homepage der Petition.
Legende: Kampf gegen die Zwangspause: Bis zum Donnerstagabend haben rund eineinhalb Millionen Menschen eine Petition unterschrieben. Keystone

Die Situation in Grossbritannien scheint zu eskalieren.

Es ist ein veritabler politischer Machtkampf. Davon haben wir zwar im Frühling schon gesprochen. Doch er wird jetzt nochmals mit härteren Bandagen geführt. Was im Moment passiert, kann zu Recht als Verfassungskrise bezeichnet werden. Und wenn wir im Frühling von einem politischen Erdbeben gesprochen haben, dann ist dieses jetzt ihm Herbst nochmals ein paar Stufen höher auf der Magnitude.

Das britische Volk ist so gespalten wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Manche Politbeobachter sprechen von der Gefahr eines «Bürgerkriegs»: Droht die britische Gesellschaft auseinanderzubrechen?

Ich will nicht extreme Worte gebrauchen, aber man kann sagen: Das britische Volk ist so gespalten wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Es ist gespalten in jene, die für den Brexit sind, und jene, die dagegen sind. Dieser Riss geht zwischen Stadt und Land, aber auch innerhalb von Familien, und er ist in den letzten drei Jahren immer stärker geworden, weil man es nicht geschafft hat, den Austritt aus der EU zu vollziehen.

Wie kann Johnsons möglicher Plan einen No-Deal Brexit anzustreben, verhindert werden?

Das Parlament plant ein Gesetz, das ihn dazu zwingen könnte das Austrittsdatum aus der EU nochmals zu verschieben. Allerdings ist die Zeit dafür nächste Woche sehr knapp. Und danach würde bereits die Zwangspause starten. Das Parlament könnte auch ein Misstrauensvotum beantragen, was wahrscheinlich zu Neuwahlen führen würde. Und zudem sind Klagen eingegangen. Zwei Gerichte sind mit der Frage beschäftigt, ob die Zwangspause verfassungskonform ist.

Welche Chancen auf Erfolg haben die Gegner?

Das ist tatsächlich die Frage, die uns in den nächsten Tagen und Wochen beschäftigen wird. Da müsste ich eine Hellseherin sein, um zu sagen, wie es in den nächsten Wochen weitergeht.

Die Fragen stellte Claudia Blangetti.

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