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Deutsches Katastrophengebiet «Viele Dörfer sind immer noch von der Aussenwelt abgeschnitten»

Nach der Flutkatastrophe in Teilen der deutschen Bundesländer Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mit mindestens 160 Todesopfern befürchten die Behörden, dass es dort zu Corona-Ausbrüchen kommen könnte. Der SWR-Journalist vor Ort, Andreas Krisam, relativiert die Sorge.

Andreas Krisam

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Andreas Krisam ist Reporter beim Südwestdeutschen Rundfunk SWR. Er befindet sich seit Beginn der Flutkatastrophe im betroffenen Gebiet.

SRF News: Wovor fürchten sich die Behörden im westdeutschen Katastrophengebiet?

Andreas Krisam: Sie befürchten einen Corona-Ausbruch. In den zerstörten Gebieten sind die Aufräumarbeiten im Gang, die meisten beteiligten Menschen tragen dabei keine Masken – sie haben derzeit ganz andere Sorgen.

Noch immer werden offiziell 170 Menschen vermisst.
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Ihre Häuser wurden weggespült oder sie sind eingestürzt, Wohnungen wurden mit Schlamm und Geröll geflutet, das Mobiliar und die Autos wurden weggeschwemmt. Auch sind viele Strassen und Brücken zerstört und nicht zuletzt sind in vielen betroffenen Ortschaften Todesopfer zu beklagen. Ausserdem werden immer noch 170 Menschen bestätigt vermisst, von weiteren rund 650 Personen fehlt eine Nachricht, sie werden aber nicht offiziell vermisst.

Sind die Sorgen der Behörden wegen Corona begründet?

Die Ansteckungszahlen in Deutschland sind immer noch recht tief, auch wenn ein Anstieg feststellbar ist. Doch aus dem betroffenen Gebiet gibt es keine aktuellen Inzidenzzahlen. Jetzt befürchten die Behörden, dass es unter den von auswärts angereisten Hilfskräften zu Corona-Ausbrüchen kommen könnte.

Die meisten Einsatzkräfte sind bereits doppelt geimpft.
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Insgesamt sind rund 2000 Helfer unterwegs, welche die Menschen im Katastrophengebiet versorgen. Sie übernachten hier in Grossraumzelten, eng an eng. Allerdings sind die Einsatzkräfte zur grossen Mehrheit bereits doppelt geimpft. Deshalb ist eigentlich nicht zu befürchten, dass sich das Virus unter ihnen verbreiten könnte.

Was tun die Behörden, um das Corona-Risiko zu minimieren?

Derzeit gibt es bloss Pläne. Man muss wissen: Viele der betroffenen Dörfer, etwa an der Ahr, sind von der Aussenwelt immer noch abgeschnitten und auf der Strasse kaum erreichbar, teilweise müssen sie mit Helikoptern versorgt werden. Da fragt man sich, wie die Menschen dort in der aktuellen Situation geimpft werden sollen.

Ich kann die Sorge vor einem Corona-Ausbruch nicht ganz verstehen.
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Es ist schon schwierig genug, die Leute mit sauberem Trinkwasser zu versorgen, vielerorts gibt es auch immer noch keinen Strom, und das Handynetz ist nicht stabil. Dementsprechend ist die Corona-Problematik für viele Menschen relativ weit weg. Es ist auch so, dass viele der Betroffenen beim Aufräumen in den Dörfern allein an der Arbeit sind, oft an der frischen Luft, das Ansteckungsrisiko ist also sowieso nicht so gross. Deshalb kann ich die Sorge vor einem Corona-Ausbruch nicht ganz verstehen. Man wird jetzt die weitere Entwicklung abwarten müssen. Die Aufräumarbeiten werden ja sicher noch Wochen dauern.

Das Gespräch führte Hans Ineichen.

SRF 4 News aktuell vom 20.7.2021, 10:20 Uhr

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