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Deutschlands Sonderrolle Israels Sicherheit als «deutsche Staatsräson»: Was heisst das?

In Tel Aviv bezeichnet Kanzler Olaf Scholz Israels Sicherheit als «deutsche Staatsräson». Was das konkret heisst, ist unklar.

Am Dienstag hat der deutsche Bundeskanzler Israel besucht – als einer der ersten Regierungschefs seit dem Grossangriff der Hamas auf Israel. Dort wiederholte er, was er wenige Tage zuvor schon im Bundestag gesagt hatte: «Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson.»

Zugleich sprach Scholz Israel erneut das Recht zu, sich zu wehren. «Konkret bedeutet dies, dass Deutschland Israels Recht auf Selbstverteidigung und die daraus folgenden Massnahmen im Gazastreifen unterstützt», hatte er schon im Parlament in Berlin gesagt.

Scholz' Worte sind nicht neu für einen deutschen Regierungschef. Seit der Staatsgründung 1948 stellten sich deutsche Regierungen hinter das Existenzrecht Israels. Angela Merkel erklärte die Sicherheit Israels schliesslich zur «deutschen Staatsräson».

Angela Merkel spricht 2008 in der Knesset
Legende: 2008 sprach Angela Merkel in der Knesset, dem israelischen Parlament in Jerusalem. Damals fiel erstmals der Satz, dass die Sicherheit Israels «deutsche Staatsräson» sei. Keystone/EPA/Peer Grimm

«Der Satz rührt natürlich daher, dass es eine deutsche Verantwortung für die Verbrechen des Holocaust gibt», sagt Jan Busse, der an der Bundeswehr-Universität in München zur deutschen Nahostpolitik forscht.

Staatsräson und Realpolitik

Wie sich die «deutsche Staatsräson» in konkrete Politik übersetzen lässt, präzisierte Merkel damals nicht. «In der Folge war ebendies dann auch Diskussionsthema», erinnert Busse.

Holocaust-Mahnmal in Berlin.
Legende: Nach der industriellen Vernichtung jüdischen Lebens im Zweiten Weltkrieg sieht sich Deutschland in einer besonderen Verantwortung gegenüber Israel. Bild: Holocaust-Mahnmal in Berlin. Keystone/AP/Markus Schreiber

Der damalige Bundespräsident Joachim Gauck relativierte bei einem Israel-Besuch 2012, die Sicherheit und das Existenzrecht Israels seien «bestimmend» für die deutsche Politik. Und: Merkels Wort von der Staatsräson könne die Kanzlerin in «enorme Schwierigkeiten» bringen.

Gauck (rechts, neben Shimon Peres) 2012 in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem.
Legende: Mit den «enormen Schwierigkeiten» verwies Gauck auf eine mögliche Verwicklung Deutschlands in Kriege im Nahen Osten – so etwa, falls es zu einer Konfrontation zwischen Iran und Israel kommen würde. Bild: Gauck (rechts, neben Shimon Peres) 2012 in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Keystone/EPA/Wolfgang Kumm

Klar ist für Busse: Die Sicherheit Israels hat eine sehr hohe Priorität in der deutschen Politik. «Faktisch gab es in der Vergangenheit einen wichtigen Einsatz für die Sicherheit Israels.» Dieser drückte sich auch militärisch aus: So hat Deutschland seit Mitte der 90er-Jahre mehrere U-Boote der Dolphin-Klasse an Israel geliefert und mitfinanziert.

«Das Besondere an diesen U-Booten ist, dass sie mit atomwaffenfähigen Marschflugkörpern ausgestattet werden können», sagt der Forscher. «Dadurch stellen sie ein wichtiges Mittel der Abschreckung gegen Feinde dar – insbesondere den Iran.»

Scholz trifft ägyptischen Präsidenten

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Scholz mit dem ägyptischen Präsidenten al-Sisi in Kairo.
Legende: Scholz mit dem ägyptischen Präsidenten al-Sisi in Kairo. Keystone/EPA/Michael Kappeler

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi deutsche Hilfe bei den Bemühungen um eine Freilassung der von der islamistischen Hamas in Israel entführten Geiseln zugesagt. «Wir bemühen uns nach Kräften, ihre Freilassung zu erreichen», sagte Scholz in Kairo in einer gemeinsamen Medienkonferenz mit al-Sisi.

Scholz forderte rasche humanitäre Hilfe für die Menschen im abgeriegelten Gazastreifen. «Die Palästinenser sind nicht Hamas. Und die Hamas hat kein Recht, für die Palästinenser zu sprechen.» Scholz verlangte zudem, die Explosion in einem Spital im Gazastreifen mit mutmasslichen Hunderten Toten und Verletzten sehr genau aufzuklären. (dpa)

«Die Bundesregierung würde aber sicher auch argumentieren, dass ein diplomatischer Beitrag wie bei der Aushandlung des Atomabkommens mit Iran als Beitrag zu Israels Sicherheit betrachtet werden kann», sagt Busse. Selbiges gelte für den deutschen Einsatz für eine Zweistaatenlösung im Nahostkonflikt.

Für Busse zeigen sich derzeit aber auch die Grenzen der «deutschen Staatsräson». Nach dem Grossangriff der Hamas verlegten die USA zwei Flugzeugträger vor die israelische Küste: Washington zeigt damit, dass es die Sicherheit Israels auch militärisch unterstützen will. «Dagegen bleibt der Bundesregierung nicht viel mehr als Symbolpolitik», schätzt Busse.

Brandenburger Tor in den Nationalfarben Israels, 7.10.2023
Legende: Das Brandenburger Tor in den Nationalfarben Israels anzuleuchten, sei zwar eine schöne Geste – aber eben auch nichts Praktisches, sagt Busse. Auch der rasche Besuch des Kanzlers in Israel sei zunächst einmal Symbolpolitik. Keystone/DPA/Fabian Sommer

Bei der Bewältigung der Krise bringt sich Deutschland derzeit diplomatisch ein. So hat Scholz bereits den Emir von Katar, den jordanischen König und den ägyptischen Präsidenten getroffen. Ebenso ist Berlin darum bemüht, dass sich die humanitäre Lage in Gaza nicht weiter verschlechtert.

«Wenn man das Diktum der ‹Staatsräson› ausbuchstabieren würde, müsste es allerdings auch eine aktive militärische Unterstützung für Israel geben», schliesst Busse. Letztlich könne die Betonung der Staatsräson aber auch nicht im Widerspruch zu anderen Werten stehen, die Deutschland für sich reklamiert: «Insbesondere die Achtung des Völkerrechts.»

Krieg im Nahen Osten

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Die Konflikte in Israel, im Westjordanland und im Gazastreifen halten an. Hier finden Sie alle unsere Inhalte zum Krieg im Nahen Osten.

SRF 4 News, 18.10.2023, 6:45 Uhr ; 

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