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Druck mit Austrittsdrohung Trump strapaziert Nerven der Nato-Partner

In der Nacht auf den 10. Juni versetzte US-Präsident Donald Trump den G7, dem Klub der mächtigsten westlichen Staaten, einen Schlag, von dem sich dieser vielleicht nie mehr erholt. Er zerriss die Schlusserklärung des G7-Gipfels von Kanada in der Luft, Stunden nachdem er sie selber mitunterzeichnet hatte.

Jetzt, am 12. Juli, einen Monat später ist das nicht passiert. Trump drohte zwar während des Nato-Gipfels in Brüssel, der Militärallianz den Rücken zu kehren, wenn sich deren übrige 28 Mitglieder nicht so verhalten, wie er will.

Und zwar indem sie ihre Rüstungsetats hochfahren und damit nicht zuletzt, wie er einräumt, US-Rüstungsgüter kaufen. Doch der amerikanische Präsident trägt die Nato-Gipfelbeschlüsse diesmal mit.

Lobby und Parlament machen Trump Druck

Was erklärt den Unterschied? Bei den G7 geht es nicht zuletzt um Themen wie Entwicklungshilfe, Umweltpolitik, Menschenrechte oder Freihandel. Themen, die Trump nicht interessieren oder bei denen er mit anderen Staaten im Streit liegt.

Bei der Nato hingegen geht es nur um Sicherheit und Verteidigung. Würde der Präsident hier den westlichen Partnern den Rücken kehren, bekäme er es zuhause mit zwei mächtigen Lobbys zu tun: dem militärischen Establishment und den klassischen Republikanern, die starke Vereinigte Staaten wollen.

Beide Kammern des US-Parlaments gaben Trump mit überwältigender Mehrheit Pro-Nato-Bekenntnisse mit auf den Weg nach Brüssel. Die Lobbys wissen: Wagten die USA militärisch den Alleingang, ohne Allianzpartner, verlören sie weltweit gewaltig an Macht. Obschon Trump gewiss kein Freund der Nato ist, wagt er es nicht, sich von dieser abzuwenden.

Wichtige Beschlüsse

Die Nato überlebt also – trotz Trump. Auf ihrem Gipfel traf sie gar eine Reihe von Entscheidungen, zwar eher langweilige, aber wichtige: Sie will ab 2020 30 Bataillone, 30 Kampfjetstaffeln und 30 Kriegsschiffe in maximal dreissig Tagen einsatzfähig haben.

Sie schafft zwei neue Kommandos, welche die Nato flexibler und den Nachschub sicherer machen. Oder sie erklärt, künftig auch militärisch anzugreifen, wenn ein Nato-Land im Cyberraum angegriffen wird.

Provokationen haben das Bündnis angeschlagen

Doch sämtliche Beschlüsse täuschen nicht darüber hinweg, dass es knirscht im Gebälk der Nato. Bisher waren Nato-Gipfel stets penetrant harmonische, durchorchestrierte Inszenierungen der unverbrüchlichen Einigkeit.

Diesmal waren die Risse unverkennbar. Trump strapazierte mit Geldforderungen und Provokationen die Nerven der übrigen Teilnehmer bis zur Schmerzgrenze.

Das wichtigste Kapital einer Militärallianz sind nicht Waffen, vielmehr Geschlossenheit und Entschlossenheit. Gibt es daran die geringsten Zweifel, und die gibt es nun erstmals wegen Trump, dann ist ein Bündnis angeschlagen. Daran ändern dann auch kräftig erhöhte Militärausgaben und Aufrüstungsprojekte nichts. Grossmächte wie China oder Russland werden das erfreut zur Kenntnis nehmen.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

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