Der G7-Gipfel von Hiroshima dürfte als einer der erfolgreichsten in die Geschichte eingehen. Doch ein Ziel haben die grössten westlichen Wirtschaftsmächte verpasst: Nämlich wichtige Schwellenländer auf ihre Seite zu bringen. Da zeigt sich eine gravierende Schwäche.
Russlands Krieg gegen die Ukraine und Chinas Weltvorherrschaftsanspruch schweissen die Regierungen der G7-Staaten wieder enger zusammen. Bereits der G7-Gipfel im deutschen Elmau im Vorjahr gilt als Erfolg. Der jetzige in Hiroshima erst recht. Ein Gipfel in Zeiten des Krieges – das sorgt für einen Schulterschluss. Und: 91 Prozent der Vereinbarungen von Elmau wurden tatsächlich erfüllt, ergab die Untersuchung einer Forschungsgruppe an der Universität Toronto, die sich seit Jahrzehnten mit solchen Gipfeltreffen befasst.
Die G7 könnten also zufrieden sein mit sich. Wäre da bloss nicht noch der Rest der Welt. Denn da sind immer weniger Länder, auch wichtige und – besonders schmerzlich – auch demokratische bereit, sich dem Westen anzuschliessen, ob es nun um den Ukraine-Krieg geht, um Menschenrechte oder um die Weltwirtschaftsordnung.
Daran ist der Westen auch selber schuld. Allzu lange traten besonders die grossen westlichen Mächte arrogant und paternalistisch auf. Sie konnten sich Besserwisserei und Bevormundung erlauben. Ihre Macht war gross, übergross. Zahllose Staaten hatten gar keine andere Wahl, als westliche Ziele und mitunter auch westliche Werte zu übernehmen.
China oder Russland als Alternative
Inzwischen bemühen sich die G7 zwar ernsthafter, fairer und eher auf Augenhöhe um den Schulterschluss mit anderen Mächten. Bloss: Die neue Charmeoffensive fruchtet kaum. Denn mittlerweile fehlt ihnen das nötige Gewicht. Zusammen repräsentieren die G7-Gruppe bloss noch dreissig Prozent der globalen Wirtschaftskraft. Das heisst: Länder wie Brasilien, Indien, Indonesien, Nigeria, Südafrika oder Mexiko müssen sich nicht notgedrungen gut stellen mit dem Westen. Sie haben Alternativen, militärisch bisweilen immer noch Russland – wie Syrien oder Mali zeigen. Wirtschaftlich und politisch aber vor allem China.
Nur ein Beispiel: Parallel zum Hiroshima-Gipfel lud Peking die Staatschefs der zentralasiatischen Staaten zu einem Gipfel ein. Kein zufälliges zeitliches Zusammentreffen, vielmehr ein Nadelstich, wie ihn die chinesische Führung gern verabreicht. Bloss: Warum umgarnen eigentlich die Chinesen derart erfolgreich die Länder in Zentralasien? Warum engagiert sich Europa dort nicht stärker, gewinnt mehr Einfluss?
Ein weiteres Exempel: Gern hätten es die westlichen Mächte gesehen, wenn sich Brasiliens Präsident Lula in Hiroshima mit dem ukrainischen Präsidenten Selenski ausgetauscht und letzterer so die Chance bekommen hätte, ihn auf die Seite Kiews zu ziehen. Doch Lula liess sich nicht zu einer Begegnung drängen.
Westlicher Bedeutungsverlust ist unübersehbar
Neben allen positiven Ergebnissen des Hiroshima-Gipfels bleibt also ein negatives: Die internationale Koalition an der Seite der Ukraine ist nicht grösser geworden. Der westliche Bedeutungsverlust ist unübersehbar.
Der Westen bietet nun zwar mehr Geschlossenheit, hat jedoch weniger Gewicht als früher. Autoritäre Machthaber wird das freuen. Für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Welt ist es indes keine erfreuliche Entwicklung. Doch aufhalten lässt sie sich kaum.