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Folge reaktionärer Ideologien Junge Polen machen Jagd auf angeblich provokative Frauen

In Sozialen Medien werden Frauen an den Pranger gestellt – der Experte Tobias Ginsburg sieht die Jungs von rechten und reaktionären Ideologien angestachelt.

Worum geht es? In Polen geben männliche Jugendliche zu reden, die in gelben Warnwesten herumlaufen und gezielt nach jungen Frauen suchen, die sich angeblich provokativ verhalten. Dabei filmen sich die manchmal erst 15-jährigen Teenager und posten die Videos dann in den Sozialen Medien wie Tiktok oder Instagram. Auf ihren Warnwesten steht «Szon Patrols» – auf Deutsch übersetzt etwa «Huren-Patrouille».

Wer steckt dahinter? «Es ist ein Ausdruck von grundsätzlich reaktionären Ideen, ein Ausdruck von Hass auf weibliche Selbstermächtigung», sagt der deutsche Journalist und Buchautor Tobias Ginsburg. Er hat sich über Jahre in rechte, frauenfeindliche Kreise eingeschleust und war für seine Recherchen auch in Polen. Die Jugendlichen und jungen Männer folgten meist reaktionären Ideologien. Allerdings seien die Aktionen gegen junge Frauen nicht von einer Organisation gesteuert.

Rechtsextreme Narrative treiben kleine Jungs auf die Strasse in der Hoffnung, in eine andere Welt zurückzukommen.
Autor: Tobias Ginsburg Journalist und Buchautor von «Die letzten Männer des Westens»

Was ist der Hintergrund? In den «Szon Patrols» sieht Ginsburg eine Reaktion auf immer stärker verbreitete reaktionäre Tendenzen in der Gesellschaft. Es gehe dabei um «gefährliche sexistische Vorstellungen und Männlichkeits­vorstel­lungen». Bei den Jugendlichen und jungen Männern in den gelben Westen würden sich diese Ideen in realer Gewalt materialisieren. «Es geht dabei oft um den Wunsch, mächtig zu sein, sich mächtig zu fühlen.»

Warum gerade junge Frauen? Hinter den reaktionären Tendenzen und Ideologien stehe die Idee, dass die Welt irgendwie durch weibliche Sexualität degeneriert werde, dass die Gesellschaft verweichliche, so Ginsburg. «Da haben sich rechtsextreme Narrative ausgebreitet. Sie treiben kleine Jungs auf die Strasse in der Hoffnung, in eine andere Welt zurückzukommen, in der sich Frauen so verhalten, wie sie sich das vorstellen – so, wie es den Jungs eingeflüstert wird.»

Sie denken, der Progressivismus, der zur Frauenemanzipation geführt hat – und zu LGBTQ- und Transrechten –, sei etwas, das die Gesellschaft kaputt mache.
Autor: Tobias Ginsburg Journalist und Buchautor von «Die letzten Männer des Westens»

Welches ist der grössere Zusammenhang? Ginsberg ortet seit etwa zwölf Jahren einen starken Rechtsruck in den westlichen Gesellschaften. In vielen Ländern seien inzwischen rechtspopulistische, rechtsextreme oder sogar faschistische Parteien in die Parlamente gewählt worden. Diese Entwicklung bilde einen Nährboden für die Angriffe auf die Frauen in Polen. Das Narrativ dabei: «Der Progressivismus, der zur Frauenemanzipation geführt hat – und zu LGBTQ und Transrechten –, sei etwas, das die Gesellschaft kaputt mache.»

Warum gerade Polen? «In Polen wurden diese Narrative mit einer unglaublichen Vehemenz vorangetrieben, starke und teils weltweit aktive Kampagnen und Netzwerke haben dort einen unglaublichen Schaden angerichtet», so Ginsburg. Die Teenager und jungen Männer fielen darauf herein und glaubten, etwas tun zu müssen, um der angeblich verweichlichten und degenerierten Gesellschaft etwas entgegenzustellen. Für Ginsburg ist klar: «Dahinter steckt eine gewollte Politik. Und das ist es, was man angreifen müsste.»

SRF 4 News aktuell, 14.10.2025, 6:50 Uhr ; 

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