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Freilassungen in Belarus Nur Trump fällt auf Lukaschenkos Spiel herein

Regimegegner atmen auf nach der Freilassung von Oppositionellen. Doch die US-Diplomatie macht ihre Lage aussichtsloser.

«Der Einzug in eine neue Zelle war beängstigender als ein Flug ins offene All», schrieb Maxim Znak im Buch «Zekamerone», das er im belarussischen Gefängnis geschrieben hat. Der Anwalt wurde zu zehn Jahren Strafkolonie verurteilt, weil er sich gegen das Regime von Alexander Lukaschenko gestellt hatte. Nun tritt Znak eine neue Reise an: Er gehört zu den 123 politischen Gefangenen, die der Diktator heute nach Verhandlungen mit den USA begnadigt hat.

Politische Häftlinge in Belarus leben unter widrigsten Bedingungen. Todesfälle sind im Gefängnis keine Seltenheit. Oft wird ihnen jeglicher Kontakt zur Aussenwelt verboten, sodass unklar ist, ob sie überhaupt noch leben. Die Bilder, auf denen Znak, Oppositionsführerin Maria Kolesnikowa oder Nobelpreisträger Ales Bialiatski gesund und in Sicherheit zu sehen sind, lassen Regimegegnerinnen und -gegner aufatmen.

Zufriedener Diktator

Doch auch Lukaschenko dürfte Genugtuung verspüren: Die USA heben im Gegenzug Sanktionen gegen die belarussische Kalidünger-Industrie auf, mit der das Regime zu Blütezeiten Milliarden verdient hatte. Vor einem Monat lockerten die USA auch ihre Sanktionen gegen Belarus’ staatliche Airline, Belavia.

Lukaschenko will schon lange einen Neustart in seinen Beziehungen zum Westen. Die Massenproteste von 2020 überstand er nur dank der brutalen Gewalt seiner Sicherheitskräfte und Russland. Europa und die USA wandten sich endgültig von ihm ab, verhängten Sanktionen, während ihm der Kreml zu verstehen gab, dass er in Moskaus Schuld steht.

Lukaschenko mag sich mit Wladimir Putin gut verstehen, aber von ihm abhängig wollte er nie sein. Entsprechend sendet er seit einiger Zeit Zeichen, dass er mit dem Westen wieder das Gespräch suchen will. Eines dieser Zeichen sind Freilassungen politischer Häftlinge, die er in regelmässigen Abständen per Dekret anordnet.

Das andere Zeichen waren die Scheinwahlen zu Jahresbeginn, bei denen Lukaschenko einen Sieg mit 87 Prozent der Stimmen für sich ausrufen liess. Dabei machte er klar, dass er dem Ausland etwas beweisen wollte: Die Proteste seien vorbei, er sitze fest im Sattel, für die absehbare Zeit bleibe er der Ansprechpartner in Belarus.  

Belarus: Ein grosses Gefängnis

Damit hat er auch Recht: In Belarus leben die Menschen in ständiger Angst, jegliche Kritik ist verstummt. Mehr als tausend Andersdenkende sitzen immer noch hinter Gittern, Hunderttausende haben seit 2020 das Land verlassen. Lukaschenko mag hin und wieder ein paar politische Gefangene freilassen, aber es werden laufend neue verhaftet. Dass er etwa Kolesnikowa jetzt begnadigt, hat auch damit zu tun, dass er sich von ihnen nicht mehr bedroht fühlt. Es steht ausser Zweifel, dass sie gleich wieder verhaftet würden, würden sie nicht ins Exil gehen.

Lukaschenko ändert also nichts an seinem repressiven Herrschaftsstil. Deswegen reagierten europäische Länder kaum auf die Freilassungen der letzten anderthalb Jahre – weil es hohle Gesten waren, die Lukaschenko nichts kosteten.

Die Trump-Regierung hingegen lässt sich davon beeindrucken und stärkt dem Diktator den Rücken, indem sie die US-Sanktionen zurücknimmt. Es ist eine grosse Belohnung dafür, dass Menschen, die nie in Haft hätten sein sollen, aus dem Gefängnis entlassen werden. Doch unter Lukaschenko leben die Menschen in Belarus alle wie in einem grossen Gefängnis. Trumps Diplomatie dürfte dazu beitragen, dass es noch lange so bleibt.

Calum MacKenzie

Russland-Korrespondent

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Calum MacKenzie ist Russland-Korrespondent von Radio SRF. Er hat in Bern, Zürich und Moskau Osteuropa-Studien studiert.

Echo der Zeit, 13.12.2025, 18 Uhr

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