Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz will nach dem Aus beim Rahmenabkommen Massnahmen der EU gegen die Schweiz verhindern. Es dürfe keine Negativspirale geben, nur weil sich Brüssel eine andere Entscheidung gewünscht habe, sagt er im Interview mit SRF.
SRF News: Die Schweiz hat nach 7 Jahren die Verhandlungen mit der EU abgebrochen. War das mutig oder übermütig?
Sebastian Kurz: Ich finde es bedauerlich. Aber es kommt nicht überraschend und ist zu respektieren. Die Schweiz trifft ihre eigenen Entscheidungen. Österreich wird alles tun, damit das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU möglichst eng bleibt.
Der Bundesrat fürchtete um den Lohnschutz. Und er befürchtete einen einfacheren Zugang zur Sozialhilfe für Zuwanderer. Genau bei diesen Themen hat der EU-Gerichtshof Österreich mehrfach schon zurückgebunden. Ist die Schweiz einfacher mutiger als Österreich, indem sie Nein sagt?
Nein, wir sind EU-Mitglied und froh darüber. Aber natürlich: Es gibt Themen, bei denen wir auf eine Veränderung drängen. Sie haben die Themen angesprochen. Manche Probleme, die in der Schweiz diskutiert werden, sind uns wohlbekannt. Das ändert aber nichts an unserer pro-europäischen Grundhaltung. Vorteile ohne den einen oder andere Haken gibt es leider nicht.
Hätte die EU der Schweiz mehr entgegenkommen sollen?
Ich möchte keiner Seite die Schuld geben. Die Verhandlungen wären wohl anders gelaufen ohne Brexit. Ich hoffe, dass jetzt nicht eine Negativspirale ausgelöst wird – nur weil man sich in Brüssel eine andere Entscheidung gewünscht hätte.
Es drohen Nadelstiche der EU-Kommission bei der Forschungs-Zusammenarbeit, der Kooperation beim Strom und beim Aufdatieren der bilateralen Verträge. Wie stellen Sie sich dazu?
Davon halte ich gar nichts. Die Schweiz ist aus der europäischen Forschungslandschaft nicht wegzudenken. Nadelstiche lehne ich immer ab. Wir bemühen uns um eine Diskussion auf Ebene der Europaminister oder der Staats- und Regierungschefs. Wir wollen die enge Kooperation fortsetzen, auch wenn es dieses Rahmenabkommen nicht gibt.
Nadelstiche lehne ich immer ab. Wir bemühen uns um eine Diskussion auf Ebene der Europaminister oder der Staats- und Regierungschefs.
Werden Sie sich also innerhalb der EU klar gegen den Ausschluss der Schweiz aus dem Forschungsprogramm Horizon wehren? Und Sie werden dafür eintreten, dass bestehende bilaterale Verträge aufdatiert werden?
Ich kann das mit einem klaren Ja beantworten. Alles andere wäre schlecht für die Schweiz, schlecht für Österreich und schlecht für die gesamte EU.
Haben Österreich und die Nachbarstaaten genug Gewicht gegen die EU-Kommission und gegen andere Länder, die der Schweiz politisch weniger nahestehen?
Ich sehe das nicht als ein Gegeneinander. Aber es stimmt natürlich: Nachbarländer wie Österreich haben einen stärkeren Bezug zur Schweiz. Daher ist es unsere Verantwortung, uns einzusetzen.
Schaffen Sie das?
Ich bin da recht optimistisch.
Der Bundesrat will die Kohäsionsmilliarde jetzt auszahlen. Würde es helfen, die Gelder aufzustocken – und sich so Goodwill zu verschaffen?
Da will ich den Verhandlungen nicht vorgreifen. Und «Goodwill erkaufen» ist auf europäischer Ebene ein falsches Wort. Die Schweiz hat viele Vorteile durch eine enge Kooperation mit der EU. Aber auch die EU hat viele Vorteile. Ziel ist es, einen Weg zu finden, mit dem alle Beteiligten zufrieden sind.
Selbstverständlich bleibe ich im Amt. Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen.
Gegen Sie laufen Ermittlungen wegen angeblicher Falschaussagen in einem Parlamentsausschuss. Bleiben Sie überhaupt noch lange genug im Amt, um der Schweiz helfen zu können?
Definitiv. Ich lass mich von diesen Anschuldigungen nicht ausser Tritt bringen. Die Oppositionsparteien versuchen mit ständig neuen Anzeigen den politischen Gegner schlecht zu machen. Das ist nicht angenehm. Aber ich werde mich davon nicht verunsichern lassen.
Sie bleiben dabei: Auch im Fall einer Anklage treten Sie nicht zurück?
Selbstverständlich bleibe ich im Amt. Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen.
Das Gespräch führte Dominik Meier.