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Gesetz zur «Chatkontrolle» Die EU will Chats mitlesen – doch das ist vorerst vom Tisch

Die EU möchte eine Hintertüre in alle Chats und E-Mails einbauen. Menschenrechtler, Wissenschaftlerinnen und IT-Experten warnen. Das Gesetz hat diese Woche erneut die Mehrheit verpasst – damit geht die Diskussion in die nächste Runde.

Darum geht es: Die EU will Kommunikationsdienste verpflichten, Nachrichten auf kinderpornografische Inhalte zu überprüfen. Dazu müssten Anbieter von E-Mail, Chat und Filesharing alle Fotos, Videos und Links vor dem Versenden auf verbotene Inhalte scannen. Damit das möglich ist, müssten Hintertüren in die Kommunikation eingebaut werden. Denn zurzeit ist die Kommunikation auf vielen Diensten, zum Beispiel Whatsapp, «Ende-Zu-Ende» verschlüsselt. Das bedeutet: Nur der Absender und die Empfängerin können den Inhalt der Nachricht lesen. Weder der Kommunikationsdienst noch der Internetprovider noch jemand, der die Nachricht vielleicht abfängt, kann mitlesen.

Das ist die Kritik: Experten sind sich uneinig, ob eine solche Kontrolle den Schutz für Kinder überhaupt verbessern würde. Vor allem sei sie nicht verhältnismässig in Anbetracht der Risiken des Gesetzes: Denn jede Hintertür bietet ein Einfallstor für Geheimdienste, Cyberkriminelle und feindlich gesinnte Regime. Vor allem für besonders gefährdete Leute wie Journalistinnen und Menschenrechtler wäre das fatal. Sie sind dann noch mehr exponiert gegenüber den Regimen, von denen sie verfolgt werden. Kritiker sprechen zudem von einer Gefahr für die Demokratie. Viele Nichtregierungsorganisationen warnen vor dem Gesetz, zum Beispiel Amnesty International, der Chaos Computerclub und der deutsche Kinderschutzbund. Auch hunderte Forscherinnen und Forscher haben einen offenen Brief dagegen unterzeichnet.

Causa Cryptowars: Sicherheit vs. Privatsphäre

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Die Sicherheit auf der einen und der Schutz der Privatsphäre auf der anderen sind ein uraltes Dilemma.

Seit dem Aufkommen der Verschlüsslung spricht man in dem Zusammenhang von den «Cryptowars»: Immer, wenn eine bessere Verschlüsslung entwickelt wird, will die Strafverfolgung den Schlüssel oder eine Hintertür dazu.

Wie weiter? Um das Gesetz zur «Chatkontrolle» anzunehmen, braucht es die Mehrheit der EU Staaten und eine Zweidrittelmehrheit der Bevölkerung. Seit das Gesetz 2020 vorgeschlagen wurde, hat es die nötige Mehrheit immer wieder verpasst und wurde mehrfach überarbeitet. So auch diesmal: Da sich Deutschland nun kurzfristig doch gegen das Gesetz in der heutigen Form ausgesprochen hat, wurde die für nächste Woche geplante Abstimmung einmal mehr abgesagt. Jetzt wird weiter am Vorschlag geschraubt und lobbyiert, bis eine Mehrheit erreicht wird – ein nächster Anlauf ist im Dezember möglich.

Fällt die Datenschutzbastion EU?

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Die EU gilt international als Verteidigerin des Datenschutzes und ist Vorreiterin mit Verordnungen wie der DSGVO, dem DMA und DSA sowie dem AI Act. Das «Chatkontrolle»-Gesetz wiederspricht dem diametral.

Das bringt viele Kommunikationsdienste in der EU, die auf Privatsphäre und Datenschutz setzen, in eine schwierige Lage: Die Privatsphäre aufgeben? Oder sich aus der EU zurückziehen? Und wenn ja, wohin?

Der Messengerdienst «Signal» hat bereits gewarnt, sich bei einer Annahme des Gesetzes aus der EU zurückzuziehen zu müssen.

Radio SRF 1, Rendez-vous, 10.10.2025, 12:55

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