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Gewalt gegen LGBTIQ Erstmals sollen Homosexuelle in Italien explizit geschützt werden

In Italien sorgt dieser Tage ein Video aus einer Metrostation in Rom für Aufruhr. Es zeigt, wie ein Mann ein männliches Paar brutal attackiert. Die Geschichte hat auch eine politische Dimension. Denn das Video hat eine neue Diskussion über ein geplantes Anti-Diskriminierungs-Gesetz für homosexuelle, bisexuelle und transgender Menschen, kurz LGBTIQ, ausgelöst.

Franco Battel

Italienkorrespondent

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Franco Battel ist seit 2024 wieder Italienkorrespondent bei Radio SRF. Zuvor war er Auslandredaktor. Bereits von 2015 bis 2021 berichtete Battel als Korrespondent für Italien und den Vatikan aus Rom. Zuvor war er als Auslandredaktor für Mexiko, Zentralamerika, Kuba und Liechtenstein verantwortlich.

SRF News: Wie fielen die Reaktionen auf diese Bilder aus?

Franco Battel: Sämtliche TV-Stationen haben das Video ausgestrahlt. Sonst ist homophobe Gewalt meist nur eine Kurzmeldung in einer Zeitung oder im Internet. Weil diese Tat aber jemand gefilmt hatte, war das nun anders. Ein Millionenpublikum hat Anteil genommen und wurde darum auch für dieses Thema sensibilisiert.

Ein Ausschnitt aus dem Video mit der Attacke in der U-Bahn in Rom.
Legende: Ein Ausschnitt aus dem Video mit der Attacke in der U-Bahn in Rom. Facebook / Gaynet Roma

Eigentlich liegt ein Anti-Diskriminierungs-Gesetz in der Schublade des italienischen Parlaments, das genau solche Übergriffe eindämmen will. Was beinhaltet das Gesetz genau?

Das Gesetz wurde von einem schwulen Abgeordneten der Regierungspartei Partito Democratico eingebracht. Das Gesetz will, dass jene bestraft werden, die Menschen aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung angreifen. Erstmals sollen Homosexuelle explizit geschützt werden. Es würde aber auch heissen, dass solche Gewalttaten gegen Lesben und Schwule statistisch erfasst würden, so wie es heute etwa auch mit Gewalt gegen Frauen geschieht.

Aber die neuen Gesetzesartikel könnten Übergriffe wie den vom Wochenende auch nicht verhindern. Warum ist er für die Befürworter trotzdem wichtig?

Sie sagen, dieses Gesetz setze ein Zeichen. Denn ohne ein spezifisches Gesetz bleibe Gewalt gegen Lesben, Schwule oder transgender Leute sozusagen ein Kavaliersdelikt. Ohne ein Gesetz falle es den Gewaltopfern auch schwer, sich bei der Polizei zu melden, da die Polizei solche Gewalt oft verharmlose, eben weil es kein entsprechendes Gesetz gebe. Die Befürworter sagen auch, es mangle am Vertrauen in die Behörden. Oft gingen Opfer gar nicht zur Polizei, weil sie eben denken, dass sie dort abgewiesen würden. Die Hoffnung ist, dass das mit diesem Gesetz nicht mehr passiert.

Das Parlament befasst sich seit Monaten mit dem Gesetzesentwurf. Die grosse Kammer hat ihn angenommen, die kleine Kammer hat ihn noch nicht einmal beraten. Warum dauert das so lange?

In der kleinen Kammer sind die Mehrheitsverhältnisse sehr knapp. Die beiden Parteien, die dieses Gesetz wollen – die Sozialdemokraten und die Fünf-Sterne-Bewegung – haben in der kleinen Kammer keine Mehrheit. Es bräuchte also zusätzliche Stimmen, zum Beispiel aus der Mitte. Doch diese sind sehr ungewiss. Und selbst bei den Sozialdemokraten wollen nicht alle Senatorinnen und Senatoren diesem Gesetz einfach so zustimmen – aus Furcht davor, dass es scheitern könnte. Im Senat ist das Gesetz nun in die Schublade gewandert. Man hofft darauf, dass sich an der Grosswetterlage etwas ändert oder Politikerinnen und Politiker aus der Mitte das Gesetz doch noch unterstützen.

Könnte das aktuelle Video dem Gesetz neuen Schub verleihen?

Ich glaube schon. Es hat einen gewissen Schub gegeben, ein Bewusstsein wurde geschaffen. Und trotzdem könnte es gut sein, dass das Gesetz nun erneut versandet. Denn wegen der Pandemie stehen nun einfach ganz andere Themen im Fokus.

Umstrittene Themen könnte Draghi auf die lange Bank schieben, weil er keine Konflikte innerhalb der Koalition provozieren möchte.

Zudem muss Premierminister Mario Draghi eine breit gefächerte Regierungskoalition zusammenhalten. Umstrittene Themen könnte Draghi auf die lange Bank schieben, weil er keine Konflikte innerhalb der Koalition provozieren möchte.

Das Gespräch führte Sandra Witmer.

SRF 4 News, 24.3.2021, 10:45 Uhr ; 

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