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Grenzkonflikt erklärt Pakistan und Afghanistan: Ein alter Streit flammt auf

Dutzende Menschen sind bei Zusammenstössen bereits gestorben. Das hat Folgen für die Zivilbevölkerung. Der Überblick.

Das ist passiert: Am Wochenende kam es zum schwersten militärischen Zusammenstoss zwischen Afghanistan und Pakistan seit der Machtübernahme der Taliban 2021. Die afghanische Regierung berichtet von Angriffen auf pakistanische Grenzposten als Reaktion auf mutmassliche pakistanische Luftschläge, während Pakistan über 200 getötete afghanische Kämpfer meldet. Am Freitag hatte die Taliban-Regierung in Kabul dem Nachbarland vorgeworfen, den afghanischen Luftraum verletzt und einen Markt in Grenznähe bombardiert zu haben. Beide Seiten machen sich gegenseitig für die Eskalation verantwortlich. Pakistan schloss Grenzübergänge zu Afghanistan.

Menschen demonstrieren mit Bannern und pakistanischen Flaggen.
Legende: In der Grenzstadt Chaman im Südwesten Pakistans haben zahlreiche Menschen demonstriert, um ihre Solidarität mit den pakistanischen Streitkräften zu bekunden. EPA / AKHTAR GULFAM

Historische Wurzeln des Konflikts: Dieser Vorfall ist die jüngste Eskalation in einem jahrzehntealten Grenzkonflikt, der durch historische, ethnische und sicherheitspolitische Faktoren geprägt ist. Die Nachbarländer teilen sich eine rund 2400 Kilometer lange Grenze, die 1893 zwischen dem damaligen Britisch-Indien und dem Emirat Afghanistan entstand. Der Verlauf der als «Durand-Linie» bekannten faktischen Grenze ist zwischen den Ländern umstritten. «Die Linie wurde damals von den Briten mitten durch das Gebiet der Paschtunen gezogen», erklärt Franziska Amler, Südasien-Korrespondentin der ARD. «Dadurch wurden viele Familien und Dörfer damals getrennt, auseinandergerissen.»

Bezug zu Indien: Beim aktuellen Konflikt spiele auch die Feindschaft zwischen Pakistan und Indien eine Rolle, so Amler. Denn Islamabad befürchte, dass Indien über Afghanistan Einfluss gewinnen und Pakistan dann eben von Westen her unter Druck setzen könne. «Für Pakistan ist das nicht nur ein Grenzstreit, sondern auch ein politisches Sicherheitsproblem.»

Indien normalisiert Beziehungen mit den Taliban

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Männer am Konferenztisch mit FICCI-Logo im Hintergrund.
Legende: REUTERS / Anushree Fadnavis

Indien will seine seit 2021 geschlossene Botschaft in Kabul wiedereröffnen und damit die Beziehungen zu der Taliban-Regierung in Afghanistan normalisieren. Dies kündigte der indische Aussenminister Subrahmanyam Jaishankar am Freitag nach Gesprächen mit dem afghanischen Aussenminister Amir Khan Muttaqi in Neu-Delhi an. Die Taliban-Regierung werde im Gegenzug Diplomaten nach Neu-Delhi entsenden, erklärte Muttaqi.

Der afghanische Aussenminister hält sich zu einem sechstägigen Besuch in Indien auf – die erste Reise eines Taliban-Vertreters in das Land. Ziel sei es, dass die beiden Länder langsam zur Normalität zurückkehrten, sagte Muttaqi.

Folgen für die Zivilbevölkerung: Pakistan schiebt seit einiger Zeit systematisch Afghaninnen und Afghanen ab, die teils seit Jahrzehnten im Land leben – offiziell wegen Sicherheitsbedenken. In den vergangenen rund zwei Jahren sind so schon Hunderttausende Menschen abgeschoben worden. Laut ARD-Südasien-Korrespondentin Franziska Amler sind es bereits über eine Million Menschen.

Pakistanische Talibanbewegung TTP: Pakistan macht für Anschläge im eigenen Land die pakistanischen Taliban (TTP) verantwortlich. Laut Franziska Amler spielt die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan im Jahr 2021 dabei eine zentrale Rolle. «Dadurch konnte sich die TTP Rückzugsräume in Afghanistan sichern.» Pakistan wirft der Taliban-Regierung vor, die TTP zu dulden und die Gruppe teilweise sogar finanziell zu unterstützen. Das halten Analysten für realistisch, denn die beiden Gruppen stehen einander ideologisch nahe. «Ziel der TTP ist es, Pakistan zu destabilisieren, die Regierung zu stürzen und ein islamisches Emirat zu errichten», erklärt Franziska Amler.

Überlebenswichtiger Grenzverkehr: Pakistan und Afghanistan sind wirtschaftlich eng miteinander verflochten. «Für Afghanistan, das keinen eigenen Zugang zum Meer hat, ist der pakistanische Hafen von Karachi von zentraler Bedeutung – über ihn werden lebenswichtige Güter wie Lebensmittel, Treibstoff und Medikamente importiert», erklärt Franziska Amler. Gleichzeitig exportiere Pakistan zahlreiche Waren nach Afghanistan, von Baustoffen wie Zement bis hin zu Konsumgütern. Die aktuellen Grenzschliessungen bedrohen diesen Handel.

SRF4 News, 14.10.2025, 16:40 Uhr ; 

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