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Gründungsjubiläum der AfD Zehn Jahre Politik der lauten und extremen Töne in Deutschland

Manche sehen in der Partei eine Gefahr für die Demokratie – andere auch eine mögliche Chance.

An 24. September 2017 zieht die AfD mit ihrem Spitzenkandidaten Alexander Gauland zum ersten Mal in den Deutschen Bundestag ein. Die AfD wird drittstärkste Kraft bei der Bundestagswahl – ein triumphaler Erfolg. «Wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen – und uns unser Land zurückholen», kündigte Gauland an.

So aggressiv die Rhetorik an diesem Tag war: Der Ton war da schon längst gesetzt. Gut vier Jahre zuvor, im Februar 2013, war die Alternative für Deutschland als liberalkonservative und euroskeptische Bewegung gegründet worden. Angeführt wurde die Partei vom Ökonomen Bernd Lucke. Doch im Kern war schon damals alles angelegt: der Rechtspopulismus, das Extreme.

Partei wurde immer radikaler

Beides brach sich Bahn im Sommer 2015 – noch vor der Flüchtlingskrise. Parteichef Lucke wurde aus dem Amt gedrängt, ging auf Distanz, zog sich aus der AfD zurück. Das sei eine eigentliche Zäsur gewesen, sagt der Kasseler Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder. «Das war der Ausgangspunkt der Spirale einer dynamischen Radikalisierung in den Extremismus hinein.»

AfD eine Gefahr für die Demokratie?

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Die AfD ist eine Gefahr für die Demokratie: Das befand im März 2021 der deutsche Verfassungsschutz und stufte die Partei als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein. Ein Gericht bestätigte diese Einschätzung in erster Instanz. Die AfD setzt sich aber weiterhin juristisch dagegen zur Wehr.

Die Radikalisierung wurde unter anderem von Leuten befeuert, die von Anfang an dabei waren: von Alexander Gauland etwa oder von Björn Höcke, dem Gründer des rechtsextremistischen «Flügel» innerhalb der AfD. Sie führte auch immer wieder zu innerparteilichen Auseinandersetzungen und gar Zerreissproben, weil die Gemässigten und die Extremisten jeweils unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie radikal die AfD sein soll.

Höcke spricht in ein Mikrofon.
Legende: Björn Höcke, seit 2014 Fraktionschef der AfD Thüringen, verantwortet den rechtsextremistischen «Flügel» innerhalb der AfD. Der deutschlandweit bestens vernetzte Regionalpolitiker wird seit 2020 vom Verfassungsschutz überwacht. Keystone/Filip Singer

Wohl keine Partei in Deutschland ist so schnell gewachsen wie die AfD und hat sich so schnell in den Parlamenten auf Bundes- und Länderebene eingerichtet. Und keine Partei war so konsequent im Versuch, die Grenzen des vermeintlich Sagbaren immer weiter nach rechts zu verschieben. Gaulands Bewertung der Nazi-Jahre als «Vogelschiss der Geschichte» ist dafür nur ein Beispiel.

AfD eine Chance für die Demokratie?

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Die AfD nutze die Werkzeuge der Demokratie, um diese letztlich zu zerstören, sagt Politologe Schroeder. Deshalb sei sie gefährlich. Aber die AfD sei auch ein Ausdruck der Widersprüche in der modernen Gesellschaft. Und so könne sie durchaus auch ein Mittel – eine Chance – sein, um die Widerstandsfähigkeit der pluralistischen, parlamentarischen Demokratie zu stärken.

Denn die AfD zwinge die anderen Parteien quasi dazu, sich zu überlegen, wieweit man noch vermittlungsfähig sei für jene Menschen, für die man schlussendlich Politik mache, so Schroeder. Mit anderen Worten: Es gilt, die manchmal akademische Welt des Politbetriebs zu verlassen, hinabzusteigen in den Alltag der Menschen, zu ihren Nöten und Denkweisen. Und es gilt, auch jene einzubinden, die anders sind. Das ist die Herausforderung – in jeder Demokratie.

Die AfD hat eine Tonlage in die deutsche Politik gebracht, die letztlich auch die politische Kultur prägt. «Sie nutzt das Parlament als eine Bühne, um die eigene populistische und den Staat sowie die Legitimität der demokratischen Politik unterhöhlende Art zu praktizieren», beschreibt Politologe Schroeder das Vorgehen der AfD – also die Inszenierung des Antiparlamentarismus im Parlament selbst. Und die Aufwiegelung des sogenannten «Volks» gegen die herrschende demokratische Elite.

Umgang mit der AfD ist eine Gratwanderung

Das ist auch eine Herausforderung für die anderen Parteien im Parlament: Mit der AfD zusammenarbeiten, sich unterstützen lassen? Geht grundsätzlich nicht. Sie komplett ausschliessen, und dann zuschauen, wie sie sich als Opfer inszeniert? Eigentlich auch nicht. Er wolle eine «Brandmauer zur AfD» gab CDU-Parteichef Friedrich Merz einst die Devise heraus.

Es gelingt nicht immer, vor allem nicht auf lokaler Ebene. Und es ist eine Gratwanderung.

Rendez-vous, 1.2.2023, 12:30 Uhr

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