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Historische Premiere Vatikan geschlossen – auch am Ostersonntag

Keine öffentlichen Messen, keine Pilger, ein menschenleerer Petersplatz. Erstmals in der jahrhundertealten Geschichte Roms bleibt die wohl bedeutendste Kirche der Christenheit, der Petersdom, über Wochen und selbst über Ostern verschlossen. «Wenn man zurückgeht in die Geschichte und sich die ganzen Urkunden aber auch die Berichte anschaut, findet man eigentlich nichts was dem entsprechen würde, was wir heute erleben», sagt der Historiker Ulrich Nersinger.

Aktivität wurde bisher eher verstärkt

Rom, die Ewige Stadt, hat so einiges erlebt und überlebt: Vandalen, Seuchen, Kriege, Plünderungen. Doch während das Coronavirus heute die Schliessung von Kirchen erzwingt, führten die Katastrophen und Tragödien der früheren Jahrhunderte stets zum exakten Gegenteil.

«Man hat die Kirchen geöffnet», so Nersinger. «Man hat Prozessionen abgehalten, Andachten vor dem Allerheiligsten gehalten, Rosenkranzgebete – also es ist eher verstärkt worden.»

Messen feiern, um Unheil abzuwenden

Die Gläubigen versammelten sich scharenweise in den Kirchen. Heute wo fast alle Regierungen strikte Distanz verordnen, mag das als gefährlich, ja fahrlässig erscheinen. Das habe man damals anders gesehen, so Nersinger.

«Das hat man dann einfach, ich will nicht sagen ignoriert, aber man hat dann doch gedacht, dass der Glaube so stark ist, dass man das einfach tun muss.» Man musste Messen feiern und Prozessionen abhalten, denn nur so, glaubte man, sei das Unheil abzuwenden.

Das aber, betont der Historiker, sei nur eine von vielen Strategien gewesen. Es habe schon früher andere, wissenschaftliche Mittel und Methoden gegeben. Der Papst, der damals Rom und ganze Teile Mittelitaliens regierte, habe sie verordnet: In Pfannen kochte man Chlor auf, das dann stark reizende, dafür aber reinigende Dämpfe verbreitete. Mit Chlor habe man ganze Gotteshäuser zu desinfizieren versucht. Sankt Peter blieb immer offen – eben: bis heute.

Gesundheit der Gläubigen geht vor

Dass er nun geschlossen ist, erregte Widerstand. Matteo Salvini, der Chef der rechten Lega, forderte dazu auf, die Kirchen zu öffnen und Ostermessen trotz der Pandemie öffentlich abzuhalten. Doch Kardinal Gualtiero Bassetti, der Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz, wies dieses Ansinnen zurück. An erster Stelle stehe die Gesundheit der Gläubigen. Andere meinten: schliesslich könne man auch zu Hause in der Küche beten.

Und so ist die ewige Geschichte Roms um ein Kapitel reicher. Ostern ohne Pilger, ohne Chlor-Dampf, mit wenig Weihrauch. Dafür gibt es neu virtuelle Messen virenfrei auf Computer und Handys der Gläubigen gestreamt.

Tagesschau, 12:45 Uhr; 11.04.2020 ; 

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