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Homophobes Gesetz in Ungarn Viktor Orbans Strategie geht wieder einmal auf

In Ungarn gibt es ein neues Vergehen: Werbung für Homosexualität und Geschlechtsumwandlungen vor Kindern. Zum Teil gilt schon die blosse Darstellung von Homosexualität für Kinderaugen als pädophil, so will es das ungarische Parlament.

In Budapest haben Tausende demonstriert, Nichtregierungsorganisationen sprechen von Homophobie. Entscheidender als das Gesetz an sich ist aber, dass die Strategie von Regierungschef Victor Orban erneut aufgegangen ist. Er provoziere halt gern, sagt Orban immer mal wieder – im Gesicht ein Lausbubenlächeln.

Homosexualität und Pädophilie verschmelzen

Orban provoziert auch gut: Seine Leute im ungarischen Parlament wollen Kinder besser vor Pädophilen schützen – in dem Gesetz gegen Pädophilie, zu dem sie jetzt Ja gesagt haben, steht aber eben auch, dass das Reden über Homosexualität vor Kindern pädophil und damit strafbar sein kann.

Homosexualität und Pädophilie verschmelzen damit – das ist eine homophobe Mischung. Kein Wunder, empören sich viele Menschen in Ungarn; kein Wunder, ist die westliche Presse voll von dicken Schlagzeilen.

Was die Provokation sicher mit sich bringt, ist Unsicherheit: Für junge Lesben und Schwule wird es damit noch schwieriger, sich als anerkannter Teil der Gesellschaft zu fühlen. Lehrer werden es sich zweimal überlegen, Menschen in die Schulstunde einzuladen, die über Homo- und Transsexualität sprechen.

Die Folgen sind noch unklar

Und dennoch ist es, wie es oft ist in Osteuropa, wenn es besonders stark nach Diskriminierung riecht: Der Geruch kann sich auch rasch wieder verflüchtigen. Beobachter in Ungarn sagen, das Gesetz sei so schwammig formuliert, dass es einiges bedeuten könnte – oder fast nichts.

Einige Fernsehserien, die junge Leute gerne schauen, müssen von nun an vielleicht spätabends laufen und mit Warnhinweisen beginnen. Ein ungarisches Märchenbuch, in dem zwei Prinzen heiraten, könnte verboten werden.

Aber: Lehrerinnen dürften wohl weiterhin über Homosexualität sprechen mit Schülern, nur keine Werbung dafür machen – was auch immer das heisst. Und: Bis jetzt sei im neuen Gesetz kein Strafmass vorgesehen.

Kein schwulenfeindliches Land

Natürlich gibt es Homophobie in Ungarn – und die Osteuropäer sind eine oder zwei Generationen später dran, wenn es um die rechtliche Gleichstellung anderer Sexualität geht. Das ist logisch: Als die rechtliche Gleichstellung im Westen etwa 1989 begann, waren sie gerade beschäftigt mit der Überwindung des Kommunismus.

Trotzdem ist Ungarn an sich kein schwulen-, kein lesbenfeindliches Land. Es gibt dort die eingetragene Partnerschaft für homosexuelle Paare, es gibt in Budapest viele Angebote von Homosexuellen und für Homosexuelle.

Orban spaltet seine Gegner

Das weiss auch Ungarns Regierungschef. Und trotzdem ist seine neuste Provokation gelungen. Denn sie spaltet seine Gegner. Die Konservativen und die Linken hatten sich eigentlich zusammengetan, um ihn bei den Wahlen nächstes Jahr zu besiegen.

Das homophobe Gesetz zeigt jetzt aber: In Gesellschaftsfragen sind sie sich überhaupt nicht einig. Die Provokation lenkt auch von anderen Themen ab. Und Orban ärgert damit wieder einmal den Westen – wo, so würde er es wohl sagen, man sich mancherorts bereits dafür schämen müsse, heterosexuell zu sein. Dazu würde er spitzbübisch lächeln.

SRF 4 News, Echo der Zeit vom 15.6.2021, 18.30 Uhr

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