Das zweistündige Interview in einem Garten in Kalifornien hat Wellen rund um die Welt geworfen. Genau vor einer Woche haben Prinz Harry und seine Frau Meghan der US-Talkmasterin Oprah Winfrey ihr Herz ausgeschüttet. Um Geld, Titel und Rang wurde in Königshäusern immer gestritten. Ebenso klar ist, dass das britische Königshaus nicht eine lockere Wohngemeinschaft ist, sondern eine Hierarchie mit einem engen Protokoll. Der Vorwurf des Rassismus beschäftigt aber bis heute längst nicht nur die Boulevard-Presse, sondern geht tiefer.
Verurteilung von Rassismus aus dem Palast fehlt
Es sind 61 Worte, an denen der Palast mehr als 36 Stunden gefeilt hat: «Die ganze Familie ist traurig darüber, zu erfahren, wie herausfordernd die letzten Jahre für Harry und Meghan waren (…) Sie werden immer sehr geliebte Familienmitglieder bleiben.» In der Antwort des Palastes gibt es keinen Hinweis auf die Hautfarbe des Sohnes der beiden – das giftigste Element der Vorwürfe aus Kalifornien.
Es fehlt ebenso jede offene Verurteilung von Rassismus. Die Königin wünscht sich, dass der Hauskrach im Familienkreis gelöst wird und bittet die Öffentlichkeit die Privatsphäre der Familie zu respektieren.
Jüngere Generation stellt Institution infrage
Diesen Wunsch zu erfüllen, wird nicht ganz einfach sein. Wer seine Hochzeiten und Abdankungen in vertrauter Symbiose mit den Boulevardblättern vor einem Millionenpublikum zelebriert, ist keine normale Familie von nebenan. Eine Mehrheit der Britinnen und Briten steht gemäss aktuellen Umfragen immer noch hinter der Monarchie. Die jüngere Generation stellt die anachronistische Institution aber zunehmend infrage.
Es sind nicht die offensichtlichen Kommunikationsstörungen, welche aufschrecken. Millionen von anderen Familien auf der Welt sind nicht weniger dysfunktional. Das Königshaus ist aber auch mehr als eine entrückte Touristen-Attraktion. Die royale Familie ist das Aushängeschild des Vereinigten Königreichs. Gerade der Vorwurf des Rassismus – ob er zutrifft oder nicht – lässt sich deshalb schwer als Familienstreit abtun.
Debatte in Commonwealth neu entbrannt
Denn der Vorwurf richtet sich gegen eine Dynastie, die das Staatsoberhaupt für 16 verschiedene Länder des Commonwealth ist – also der Heimat von mehr als zwei Milliarden Menschen unterschiedlichster Hautfarbe.
In einigen dieser Länder ist die Debatte deshalb neu entbrannt, ob nach dem Ende der Herrschaft von Königin Elizabeth dereinst nicht der Moment gekommen sei, mit der kolonialen Vergangenheit zu brechen und sich vom Königshaus zu trennen. Die 61 ziselierten Worte werden deshalb wohl nur vorübergehend das Ende dieser Geschichte sein.