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Israels Vorgehen in Gaza Viele Israelis fühlen sich von der Welt alleingelassen

Eine Mehrheit ist für eine Grossinvasion in Rafah – und viele verstehen die Kritik an Israel nicht. So tief sitzt der Schock nach dem 7. Oktober.

Sonntagabend in Tel Aviv: Eine kleine Gruppe demonstriert lautstark auf der stark befahrenen Kreuzung vor dem Bahnhof HaShalom. «Rafah jetzt!», rufen sie und schwenken Plakate, mit welchen sie an die Gräueltaten der Hamas am 7. Oktober erinnern.

Die Frau, die ins Megafon ruft und lautstark eine Grossinvasion von Rafah im Gazastreifen fordert, heisst Limor. «Wir müssen den Krieg in Rafah weiterführen, um die Hamas auszulöschen», sagt sie. Das wolle die Welt einfach nicht verstehen.

Mehrheit für Grossinvasion in Rafah

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Demo.
Legende: Jeden Sonntag demostrieren Menschen in Tel Aviv für die Freilassung der von der Hamas entführten Geiseln. Reuters/Carlos Garcia Rawlins

Die überwältigende Mehrheit der israelischen Bevölkerung ist für eine Grossinvasion von Rafah im Süden des Gazastreifens. Das zeigen Meinungsumfragen im Land seit Wochen. Umstritten ist nur, wann die Invasion stattfinden soll. Die einen fordern eine Waffenruhe und dass die Hamas alle Geiseln freilässt. Andere Israelis fordern eine sofortige Grossinvasion: Geiseln hin oder her.

«Die Welt versteht uns nicht: Sie unterstützt die Hamas. Und die Hamas tötet unsere Kinder!», fährt Limor fort. Tausende Hamas-Kämpfer würden sich in Rafah verstecken. Nur mit einer Grossinvasion könne die israelische Armee ihr Kriegsziel erreichen – die Hamas auszulöschen.

«Präsident Biden will uns diese Invasion verbieten. Er will uns kontrollieren!», empört sich Limor. Dass eine Grossinvasion in Rafah auch eine Zivilbevölkerung von mehr als einer Million Menschen treffen würde, nimmt sie dabei in Kauf.

Auch palästinensische Zivilisten beteiligt

Zwar will Limor nicht, dass diese Menschen getötet werden. Aber: «Auch Zivilisten aus Gaza haben sich am Massaker vom 7. Oktober beteiligt», sagt sie. Das bestätigte die Hamas selbst im Oktober auf der Plattform Telegram. «Sie halfen der Hamas, Juden und Jüdinnen zu töten und zu vergewaltigen», so Limor.

Die israelische Armee könne im Zuge einer Grossinvasion auch die Geiseln befreien, falls diese überhaupt noch am Leben seien, fügt sie noch an.

Der Schock des 7. Oktober beherrscht Israel

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Nicht nur Israelis und Palästinenser finden nicht aus der Gewaltspirale heraus: Auch die Welt ist ratlos. Zwar fordert der UNO-Sicherheitsrat eine Waffenruhe, weil die humanitäre Situation im Gazastreifen unbeschreiblich schlimm ist. Aber eine Waffenruhe sieht Israel als Verschnaufpause für die Hamas und als weitere Gefährdung des Landes.

Die israelische Bevölkerung ist nach wie vor tief traumatisiert vom Angriff der Hamas am 7. Oktober. Und die meisten verstehen überhaupt nicht, warum US-Präsident Joe Biden ein Ende eines in ihren Augen gerechten Krieges fordert.

Einblick in die Gefühlslage gibt diese Episode: In der Nähe des Gazastreifens sind immer wieder Bombenexplosionen zu hören. Darauf angesprochen, sagt ein junger Mann, es beruhige ihn, dass das israelische Bomben seien. «Dann muss ich keine Angst haben vor einem erneuten Angriff der Hamas.» Und so denkt in Israel niemand an den Tag danach – so lange Bomben fallen.

Jeden Sonntag demonstriert diese kleine Gruppe in Tel Aviv für eine Grossinvasion von Rafah. Sie ist eine Randerscheinung, vor allem neben den wöchentlichen Grossdemonstrationen für eine Waffenruhe und die bedingungslose Freilassung aller Geiseln.

Szene vor Bahnhof mit Strasse und Brücke.
Legende: Tel Aviv vor dem Bahnhof HaShalom nach der sonnntäglichen Demonstration vom 17. März. srf

Und trotzdem teilt eine Mehrheit der israelischen Bevölkerung die Meinung Limors und der kleinen Gruppe von Demonstrierenden in Tel Aviv: Die Hamas müsse ein für alle Mal ausgelöscht werden.

Ratlosigkeit in Ashdod

In Ashdod, einer Stadt in der Nähe des Gazastreifens, mussten die Menschen erst vor ein paar Tagen wieder vor den Raketen der Hamas in ihre Luftschutzkeller flüchten. Und das, obwohl Israel seit bald sechs Monaten Krieg führt im Gazastreifen.

Der dort lebende Familienvater Ben – er kommt gerade vom Einkaufen – weiss nicht, was er zur geplanten Grossoffensive von Rafah sagen soll: «Ich sehe einfach keine Lösung. Es gibt erst eine Lösung, wenn sie ihre Waffen ablegen.»

Krieg im Nahen Osten

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Die Konflikte in Israel, im Westjordanland, im Gazastreifen und in Libanon halten an. Hier finden Sie alle unsere Inhalte zum Krieg im Nahen Osten.

Rendez-vous, 27.3.2024, 12:30 Uhr

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