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Italien im Ausnahmezustand Das «Ich bleibe zu Hause»-Gesetz vereinigt die Politik

Zu Hause bleiben: So heisst das Gesetz, das ganz Italien ab heute zur «Sicherheitszone» erklärt. «Ich bleibe zu Hause» ist auch eine Initiative von italienischen Sängerinnen und Sängern. Sie wollen die «ragazzi», die jungen Leute, mit improvisierten, witzigen Songs davon überzeugen, den Ausgang sausen zu lassen und in der Stube zu hocken – auch wenn das langweilig ist.

Nicht nur Sängerinnen und Sänger unterstützen die Regierung. Auch die politischen Gegner ziehen mit. Normalerweise zerreisst die Opposition jedes Gesetz der Regierung genüsslich und reflexartig in der Luft. Das ist heute anders. Die Opposition ist einverstanden – sie signalisiert gar, dass sie für noch schärfere Massnahmen zu haben wäre.

Heute hält man Distanz

In der Lombardei, in jener Region also, die am meisten Corona-Opfer zu beklagen hat, fordert die Regionalregierung, das öffentliche Leben noch mehr auszudünnen. Es sollen nur noch jene Läden offenbleiben, die Lebensmittel oder Medikamente verkaufen. Alle anderen sollen schliessen. Auch jene Fabriken oder Betriebe, die verzichtbare Dinge produzieren. Sie sollen eine mehrwöchige Pause einlegen und die Angestellten zu Hause lassen.

All das zeigt: Italien hat sich Innerhalb von gut zwei Wochen rasant verändert. Noch vor Kurzem umarmte man sich hier oft und gern. Körperkontakt ist in Italien wichtig. Man schwatzte schon am frühen Morgen dicht gedrängt in der Bar bei Caffè und Cappuccino. In den Römer Bussen war man schon froh, wenn man von den übrigen Passagieren wenigstens einen Millimeter Abstand hatte. Am Abend sass man gesellig in Bars und auf Plätzen. Heute hält man Distanz, meidet sich, ist still geworden.

Hoffen, dass es bald vorbei ist

Der Treiber dieser rasanten Entwicklung waren Zahlen. Und die sind erschreckend. Jeden Abend um 18 Uhr präsentiert der Zivilschutz in einer Live-Übertragung die neusten Statistiken. Alle warten auf die Zahl der Neuinfizierten, der Patienten in Intensivpflege, ob das Virus nun auch südliche Regionen erfasst hat und auf die Zahl der Geheilten.

Das Wissen um diese Zahlen hat dazu geführt, dass so viele Italienerinnen und Italiener so schnell ihre Traditionen und Verhaltensmuster geändert haben. Alle hoffen sehnlichst darauf, dass dies nur von kurzer Dauer sein wird.

Franco Battel

Italienkorrespondent

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Franco Battel ist seit 2024 wieder Italienkorrespondent bei Radio SRF. Zuvor war er Auslandredaktor. Bereits von 2015 bis 2021 berichtete Battel als Korrespondent für Italien und den Vatikan aus Rom. Zuvor war er als Auslandredaktor für Mexiko, Zentralamerika, Kuba und Liechtenstein verantwortlich.

Tagesschau, 10.03.2020, 12:45 Uhr

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