In Italien gibt es erneut Spannungen in der Regierung. Lega-Chef und Vizeministerpräsident Matteo Salvini sagte, er könne seinem Koalitionspartner Cinque Stelle nicht mehr vertrauen – «auch auf persönlicher Ebene». Die Streitereien in der Koalition hätten tiefgreifende Gründe, die sich nicht so einfach beheben lassen, sagt Italien-Korrespondent Franco Battel.
SRF News: Wie stark sind die Verwerfungen in der italienischen Regierung dieses Mal?
Franco Battel: Auf der einen Seite gibt es die Vorwürfe, Lega-Vertreter hätten in Moskau über eine milliardenschwere Finanzspritze für ihre Partei verhandelt. Falls da Geld geflossen ist, wäre dies ein riesiger Skandal für die Lega. Das macht Vizepremier Matteo Salvini nervös. Dann gab es auch Streit bei der Wahl von Ursula von der Leyen zur EU-Kommissionspräsidentin. Die Lega stimmte gegen sie, die Fünf-Sterne-Bewegung für sie. Die Stimmen der Cinque Stelle waren am Schluss sogar ausschlaggebend.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Parteien uneins sind. Warum gibt es immer wieder Unstimmigkeiten?
Weil diese Parteien sehr unterschiedlich sind. Die Lega ist in der Lombardei mit dem Anliegen entstanden, mehr Autonomie für die Region herauszuholen. Das ist bis heute ein Streitpunkt zwischen den Parteien. Die Lega möchte mehr Freiheiten und Kompetenzen für die Regionen, das Movimento Cinque Stelle ist da skeptisch.
Die Meinungsunterschiede der Parteien in zentralen Fragen werden immer für Krisenanfälligkeit sorgen.
Ein anderer Streitpunkt sind die Steuern: Die Lega möchte einen tiefen Steuersatz, der für alle möglichst gleich ist. Die Fünf Sterne sind nur sehr lauwarm für eine solche Steuerreform. Zudem ist die Hochgeschwindigkeitsstrecke Lyon-Turin seit Jahren ein Streitpunkt zwischen den beiden Parteien. Die Lega ist für den Tunnel, das Movimento Cinque Stelle dagegen.
Und nun diese Berichte über mögliche russische Wahlkampfhilfe für die Lega. Kann sich der Streit noch zuspitzen?
Ja. Es waren ja Leute, vielleicht sogar Geheimdienste, die diese Verhandlungen in Moskau zwischen Lega-Vertretern und russischen Geldgebern aufgenommen haben. Bisher haben sie nur einen Teil dieser Audios veröffentlicht – da könnten noch mehr Dokumente kommen.
Zudem wird gefordert, dass sich Salvini im Parlament erklärt. Er hat aber noch keinen Termin dafür genannt. Auch hier sehe ich weiteres Potenzial, dass sich die Geschichte noch weiterentwickeln könnte.
Wie stark bringen diese Streitigkeiten die Regierung ins Wanken?
Das ist schwer einzuschätzen. Heute würde ich sagen, es sieht nach einer Krise aus. Das kann sich aber auch schnell wieder verändern. Vor zwei Monaten waren die Auseinandersetzungen ähnlich heftig , dann hat sich die Lage aber schnell wieder beruhigt. Ein Problem aber bleibt: die Meinungsunterschiede in zentralen Fragen. Diese bleiben und werden immer für Krisenanfälligkeit sorgen.
Das Gespräch führte Roger Aebli.