Wegen des Krieges zwischen der sudanesischen Armee und der Miliz Rapid Support Forces RSF sind im Sudan rund 15 Millionen Menschen auf der Flucht. Viele von ihnen leiden an Hunger. Nun hat eine Gruppe von vier Ländern, angeführt von den USA, einen Friedensplan vorgelegt. Gerrit Kurtz ist Sudan-Experte bei der deutschen Stiftung für Wissenschaft und Politik. Er erklärt, warum die sudanesische Armee nicht auf diesen Friedensplan eingegangen ist.
SRF News: Warum lehnt die sudanesische Armee diesen Friedensplan ab?
Gerrit Kurtz: Sie vertraut den Mediatoren nicht. Sie ist auch von den Bedingungen, die in diesem Plan für einen weiteren politischen Prozess genannt werden, nicht begeistert. Burhan, der Führer der Armee, steht unter massivem Druck seiner Koalitionsparteien.
Weiterhin herrscht die Vorstellung, dass die Armee sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft und für die Einheit des Staates zentral ist.
Denn aufseiten der Armee kämpft nicht nur die Armee selbst; sie wird militärisch entscheidend von der sudanesischen-islamischen Bewegung – vereinfacht gesagt: von Islamisten – und von bewaffneten Einheiten aus Darfur unterstützt. Die beiden Gruppen sind die wichtigste Infanterie der Armee. Und beide lehnen aus unterschiedlichen Gründen eine Vereinbarung mit den RSF ab.
Welche Motive verfolgt die sudanesische Armee in diesem Krieg?
Die Armee verfolgt sicherlich das Ziel, weiterhin dominant zu sein. Das kann man Machterhalt nennen. Damit einher geht auch die Vorstellung, dass das Militär eine besondere Rolle für die Einheit des Staates hat. Die Armee rekrutiert sich aus breiten Teilen der Bevölkerung, zumindest in den Mannschaften. Sie stellt deswegen auch eine zentrale Rolle für die Erhaltung der Staatlichkeit dar. Das Militär hat auch die meiste Zeit seit der Unabhängigkeit Sudans mitregiert. Es gab nur kurze Zeiten von ziviler Herrschaft. Weiterhin herrscht die Vorstellung, dass die Armee sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft und für die Einheit des Staates zentral ist. Daneben gibt es auch die ideologischen Vorstellungen der sudanesischen-islamischen Bewegung. Sie sprechen von Dschihad – vom Heiligen Krieg –, den man gegen die RSF führen müsse.
Wer hat ein Interesse an der sudanesischen Armee und wer unterstützt sie?
Beim Nachbarn Ägypten wird die Rolle des Militärs im Staat ähnlich gesehen, wie im Sudan. Die Ägypter wollen keine Spaltung des Sudan, weil dies auch Leute in Ägypten auf falsche Ideen bringen könnte und die Instabilität vergrössern könnte. Saudi-Arabien ist auch ein Nachbar, auf der anderen Seite des Roten Meeres. Auch Saudi-Arabien will die Instabilität zurückdrehen, sage ich jetzt mal. Dazu kommen Iran, Russland, die Türkei und Katar. Diese Länder haben durchaus unterschiedliche Interessen. Sie stehen auch in Spannungsverhältnissen zueinander.
Die sudanesische Armee wäre für Frieden bereit, wenn die RSF sich aus allen Wohngegenden und allen Städten zurückziehen würde.
Unter welchen Bedingungen würde die sudanesische Armee einem Waffenstillstand zustimmen?
Die Armee hat selber einen Friedensfahrplan vorgelegt, vor etlichen Monaten. Sie wäre für Frieden bereit, wenn die RSF sich aus allen Wohngegenden und allen Städten zurückziehen würde. Das hiesse, dass die RSF alle Gebiete, die sie aktuell kontrolliert, aufgeben müsste, ohne dass sie sie militärisch verloren hätten.
Und das ist eher unwahrscheinlich?
Genau. Solange das so vorgebracht wird, wird es sicherlich keine Einigung geben. Und solange auch die externen Unterstützer beider Seiten nicht zu einer Verständigung kommen können, sodass ihre Interessen gewahrt werden, gibt es auch keine Einigung.
Das Gespräch führte Sandra Witmer.